KeYNamM ~ König ohne Namen ~ German

Kapitel 6: Alte Freunde - Neue Freunde

Ikken bog als erster in den schmalen Pfad entlang des Schilffeldes ein, der zur Furt durch den Draa führte. Der Boden war glitschig. Er rutschte aus und musste beide Arme hochreißen, um sich nicht hinzusetzen. Er hatte das Gleichgewicht noch nicht wiedergefunden, als er das Sirren einer Bogensehne hörte und ein Pfeil nur einen Schritt vor ihm zitternd im Matsch steckenblieb. Bevor er einen Warnruf ausstoßen oder nach dem Schützen suchen konnte, warnte ihn eine helle Stimme „Halt, nicht weiter! Hier hast du nichts zu suchen!" Aylal, der auch gerade in den Pfad einbog, schrie, „KeYNamM, Hilfe! Schnell, ein Feind schießt auf Ikken!", rutsche aus und landete prompt auf dem Rücken.

Ikken blickte sich nach einem Baum um, hinter dem er sich vor dem Schützen verstecken könnte. Aber die Bäume neben ihm waren zu weit weg und den einzigen Schutz bot der Schilfgürtel. Bevor er jedoch zum Sprung zwischen das rettende Schilf ansetzen konnte, kam ein weiterer Pfeil angeschwirrt, dem er gerade noch ausweichen konnte. Jetzt erst tauchte KeYNamM aus dem Wald aus, „Legt euch in den Matsch, dann bietet ihr ein kleineres Ziel!", kommandierte er und pirschte sich langsam, Deckung im Schilfgürtel suchend, voran. Auch er konnte den Standort des Schützen nicht erkennen. Der konnte sich jedoch nur auf dem Baum aufhalten, der allein rechts vom Pfad stand. Der Stimme nach musste es ein Junge oder Mädchen sein und KeYNamM glaubte zu wissen wer. „Hiyya, meine Schöne! Hiyya!", rief er und trat aus der Deckung heraus, „Hiyya, hast du mich vergessen? Ich bin der Amestan, der Amestan, dein Beschützer!" Als keine Antwort kam, „Du bis Hiyya und dein Vater ist mein Freund Ennand, deine Mutter heißt Ayri und die Zwillinge nennen sich Anirt und Amimt! So lange war ich doch nicht weg, dass du mich vergessen haben könntest! Schieß nicht auf meine Söhne."

Die Antwort kam prompt, „Aber du hast doch keine Kinder. Wer sind die beiden, warum nennst du sie Söhne?"

„Das erklär ich dir später. Komm lieber herunter vom Baum und begrüße sie." Als Hiyya noch nicht sofort aus ihrem Versteck auftauchte, fügte er hinzu, „Der Große, auf den du geschossen hast, heißt Ikken, und der kleinere Aylal! Sie nennen mich Baba, also bin ich jetzt ihr Vater! Komm jetzt heraus und begrüß uns!"

Hiyya rutschte den Baum herab. Sie war gekleidet wie ein Junge, aber das weite Hemd war mit Borten verziert und ihre hellbraunen Haare waren lang und flatterten im Wind. Sie warf ihren Bogen zu Boden und rannte auf KeYNamM zu, „Alle sagten, die Soldaten hätten dich gefangen und getötet! Aber du lebst ja! Amestan, Amestan-amo, Onkel, Onkel!" und sie umarmte ihn.

Hiyya war aufgeregt! Amestan-amo war plötzlich wieder da und er hatte Söhne! Ihre Mutter hatte doch nicht recht gehabt, der Amestan musste doch eine Frau haben, wenn er zwei so hübsche Söhne hatte. Beide waren hübsch, besonders der Ältere, der hatte etwas. Sie wusste bloß nicht was. Es kribbelte sie am ganzen Körper, wenn er sie nur ansah. Jetzt gingen sie sogar Seite an Seite. Wenn er nur ihre Hand anfassen würde. Vielleicht hatte er Angst vor Mädchen. Sie blickte sich nach Aylal um, der neben KeYNamM ging. Wenn Aylal doch nicht nur so viel schwätzen würde! Aber dann fiel ihr ein. Aylal passte genau zu ihren Schwestern, den Zwillingen, die konnten den Mund auch nicht halten.

Ikken erzählte ihr von der Stadt, von den vielen Menschen dort, vom Soukh und was es dort alles gab. Hiyya beneidete ihn! Ihre Familie lebte auf einem kleinen Bauernhof weitab von den anderen Familien. Nur ein- oder zweimal im Jahr traf sich die Großfamilie, nur ein- bis zweimal im Jahr durfte sie mit auf den Wochenmarkt, der im nächsten Dorf abgehalten wurde. Nie wurde sie auf den Mitsommermarkt in Grenzland mitgenommen, wo es alles zu kaufen gab, nicht nur Tiere, nein, auch Stoffe, Kleider, Schmuck, alles was ihr Herz begehrte und noch mehr!

Auf dem Wochenmarkt traf sie ihre Cousins und Cousinen. Aber verglichen mit Ikken waren ihr Cousins nur dicke, fette, dumme Jungen, Bauernjungen natürlich, die sich nur über ihr Vieh unterhielten. Und überdies! Die interessantesten Jungen, die Älteren, denen schon der Bart sprießte, waren allen schon Mädchen versprochen und mussten ihrer Braut treu bleiben. Hiyya nahm sich vor, Ikken zu zeigen, wie sehr sie ihn mochte. Sie musste ihn überall hin mitnehmen, ihm alles zeigen, den Hof, die Tiere, den Fluss und, und und ... Sie mussten einfach Freunde werden, vielleicht noch mehr! Schließlich war sie schon zwölf.

Ikken mochte Hiyya, aber mit vierzehn interessierten ihn Mädchen nicht, weil sie Mädchen waren. Sie mussten schon etwas Besonderes sein, vielleicht wie Hiyya. Und Hiyya war da anders! Das hellhaarige Mädchen mit ihren grauen Augen in den Kleidern eines Jungen war völlig anderes als die Mädchen, die er von Tinghir her kannte. Bestimmt würde auch sie ihren Eltern helfen müssen, aber sie konnte auch mit Pfeil und Bogen umgehen, auf Bäume klettern, vielleicht konnte sie sogar schwimmen. KeYNamM hatte ihm auch auf dem Weg hierher erzählt, dass sich Hiyya im Wald bewegen konnte ohne Tiere zu erschrecken oder von ihnen entdeckt zu werden, dass sie Fallen stellen und Fische fangen konnte. Natürlich wusste sie auch alles über die Tiere auf dem Hof, was die am liebsten fraßen, wann die Schafe und Ziegen Junge bekommen würden und noch viel mehr. Bestimmt konnte er von Hiyya alles lernen, was er hier am Draa wissen musste. Sie konnte ihm bestimmt zeigen, was er brauchte um am Draa zu überleben.

KeYNamM hatte ihm auch von den Zwillingen erzählt und wie sehr die sich einen Bruder wünschten. Er liebte seinen Aylal, aber manchmal war der Kleine auch lästig. Er würde ihn Anirt und Amimt gern überlassen, mindestens eine Zeit lang, dann hätten Hiyya und er mehr Zeit füreinander.

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Ennand wischte sich den Schweiß von der Stirn. Den ganzen Vormittag hatte er den neuen Pferch am Rand des Galeriewaldes aufgebaut und jetzt versuchte er die Schafherde aus dem alten Pferch am Ufer des Draa in den neuen zu treiben. Seine Schafherde war klein. Durch den letzten Raubzug der Büttel des Imperators war sie auf sechs Muttertiere und den Bock zusammengeschmolzen. Zum Glück hatten fast alle Mutterschafe nach Jahresbeginn Zwillinge geworfen und dadurch würde der Verlust durch die Tributzahlung im Herbst bald wieder ausgeglichen sein.

Er verfluchte die Soldaten des Imperators. Die waren eines Morgens plötzlich an der Furt aufgetaucht, hatten seinen Hof umzingelt und dann ihre Forderungen gestellt. „Der Imperator will deine älteste Tochter! Die ist im richtigen Alter für die Hauptstadt! Unser gnädiger Imperator will jedem hübschen Gör die Möglichkeit geben, etwas besseres zu werden, als ein Bauerntrampel, der jedes Jahr in Kind kriegt und nach fünfzehn Jahren ausgeleiert ist, wie eine alte Vettel!", erklärte der Hauptmann und ein fetter Gefreiter setzte hinzu: „Keine Göre hat bisher bereut durch Soldaten ins Leben eingeführt zu werden, die Beine breitmachen und die ganze Nacht Spaß haben, das ist es, was denen fehlt!" „Wo ist sie?", fragte ein Scheeläugiger. „Dein Freund hat gesagt, dein Augenstern muss hier sein! Wo denn? Die wird es nicht bereuen!" Er grinste und kratzte sich zwischen den Beinen.

Oh, war Ennand an diesem Tag glücklich gewesen, dass Hiyya schon am Morgen losgezogen war, um im Schilf nach Entennestern zu suchen. Gegen seinen Willen! Der Dickkopf!

„Wer sagt, dass ich eine Tochter habe? Wer verbreitet diese Mär?", fragte er den Hauptmann, der ihm die Lanze in die Seite bohrte. „Durchsucht doch den ganzen Hof! Hier ist kein junges Mädchen, keins wie ihr es sucht! Hier war nie eins! Wer hat euch den Bären aufgebunden?"

Ennand hatte Blut und Wasser geschwitzt und war erleichtert, als die Tributeintreiber mit drei Schafen und drei Ziegen loszogen und ihn, seine Frau Ayri und die Zwillinge in Frieden gelassen hatten! Als die verhassten Gesellen weg waren, umarmte er Ayri und die Zwillinge und schwor sich dabei insgeheim, den zu finden, der die Tributeintreiber des Imperators auf seine Familie gehetzt hatte. Er würde den Verräter schon finden, und dann ...! Sein letztes Stündlein hatte geschlagen, wenn er ihn fand. Seit diesem Tag ließ er Hiyya ziehen, wann immer sie wollte. Er schickte sie sogar oft selbst fort, wenn er aus irgendeinem Grund unruhig war. Er glaubte an Vorahnungen, auch wenn Ayri, seine Frau, ihn deswegen auslachte.

Ennand setzte sich ermüdet auf einen Stein am Hang und sinnierte, während das älteste Mutterschaf der kleinen Herde vorantrottete. Das uralte Tier war mager, so mager, dass sich jetzt nach dem Scheren jede einzelne Rippe unter ihrem Fell abzeichnete. Doch ihr Euter war prall gefüllt und sie warf jedes Jahr zuverlässig ein Pärchen Lämmer. Ja die Alte war verlässlich aber auch schlau und naschhaft. Sie liebte Salz und mit ein paar Körnern ließ sie sich überall hinlocken. Das Salz hatte er sparsam entlang des Weges zum neuen Pferch ausgestreut und dieser Spur folgte das Leitschaf und ihr folgten die andern Schafe und der mächtige Bock.

Ennand blinzelte in die warme Sonne. Das wäre alles nicht passiert, wenn der König vom Unland, sein Freund der Amestan, noch da wäre, ging ihm durch den Kopf. Sein Freund KeYNamM hatte ihn und die anderen am Draa immer vor den Raubzügen der Tributeintreiber gewarnt und, wenn notwendig, sie auch vertrieben! Aber auch den Amestan hatte einer verraten und den Häschern des Gouverneurs ausgeliefert! Wer? Er grübelte. War es der gleiche Verräter, der ihm die Soldaten auf den Hals gehetzt hatte? Vielleicht war der König vom Unland schon tot! Er schloss die Augen und schlief beinahe ein.

Plötzlich schreckte er hoch. „Baba, Baba! Maman, Maman!" schallte es vom Draa herauf. Er riss die Augen auf! War Hiyya in Gefahr? Das Licht blendete ihn, aber nach einem Moment erkannte er seine Tochter. Sie kam durch die Furt, das Wasser spritzte, verfolgt von einem Jungen, nein von zwei, einem Größeren und einem Kleineren und einem hageren Mann mit langem Haar und Bart. Seine Tochter rannte, schrie aufgeregt und der große Junge rannte hinterher, während der Mann mit dem Kleinen gemächlich nachkam. Das sah nicht nach Gefahr aus, auch wenn er den Mann nicht erkannte. Oder kannte er ihn doch? Er stand auf und ging ihnen entgegen.

Dann erkannte er ihn. „KeYNamM, mein Freund! König vom Unland! Amestan!", schrie Ennand, „Bist du es wirklich? Du lebst! Du lebst!" Er rannte los, vorbei an Hiyya, vorbei an dem großen Jungen, erst vor dem Amestan versucht er anzuhalten, stolperte jedoch und lag dann dem König vom Unland zu Füßen. Der schüttelte nur den Kopf, bückte sich dann und hob ihn hoch, „Ennand, Bruder Ennand!", lachte KeYNamM, „Ich bin doch nicht der Imperator! Niemand braucht mir die Füße zu küssen!"

Arm in Arm gingen die beiden Männer die kleine Bodenerhebung hinauf zum Hof. Auf halbem Weg kam ihnen Ayri entgegen, nein sie flog ihnen entgegen. Ihr weites Hemd flatterte wie bei einem Engel, ihr Gesicht strahlte und als sie die beiden erreichte, nahm sie KeYNamM's Kopf in die Hände und küsste ihn auf beide Wangen, „Amestan, Amestan wir brauchen dich, alle Menschen am Draa brauchen dich!" Dann schaute sie sich stolz um, „Schau sie an, mein Amestan, schau! Anirt und Amimt, wie groß sie in einem Jahr geworden sind und Hiyya, fast schon eine junge Frau! Sie ist wirklich eine große Hilfe und so selbstständig!" Dann ging sie zu Ikken und Aylal, die Hand in Hand die Szene beobachteten. „Wen hast du uns da mitgebracht, KeYNamM? Die sind dir aus dem Gesicht geschnitten! So hübsche Söhne! Wo hast du deine Söhne bisher versteckt!"

Dann strahlte sie Ikken und Aylal an „Ihr seht unserem Amestan so ähnlich! Einer von euch wird der nächste König vom Unland. Aber für jetzt seid ihr unsere Prinzen vom Unland!"

Ikken wurde rot und blickte verschämt zu Boden. Aylal dagegen strahlte. „Sind das deine Zwillinge Anirt und Amimt?", dabei zeigte er auf die beiden, „Die sind hübsch wie Engel! Wenn ich groß bin, heirate ich sie! Dann sind beide Prinzessinnen!" Alle lachten. Als Anirt und Amimt rot wurden, stieß Ikken seinem Bruder in die Seite, was heißen sollte 'Sag keinen Unsinn'. Hiyya jedoch bekam glühende Wangen. Sie starrte auf ihre Fußspitzen, lächelte und fasste sich ein Herz, hob den Kopf und strahlte Ikken an. Sie hatte Erfolg! Auch er bekam einen roten Kopf und starrte auf seine Fußspitzen.

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Ennand nahm die eine Hand von KeYNamM und Ayri seine andere. Glücklich, wie schon lange nicht mehr, schlugen sie alle den kurzen Weg hinauf zum Hof auf dem Hügel ein, als der Amestan plötzlich abrupt stehenblieb. „Ich muss die alten Kleider loswerden! Ennand, Ayri, verzeiht mir! Bevor ich noch einen Schritt weitergehe, muss ich die Kleider des Imperators loswerden. Ayri, du hast bestimmt ein altes Hemd von Ennand, das du mir borgen kannst? In diesem Hemd will ich nicht ein einziges Haus am Draa betreten! Ich muss die Kleider des Imperators sofort loswerden!"

Die Freunde verstanden ihn und bald stand KeYNamM bis über die Hüfte im Wasser. Dreimal tauchte er unter, ließ sich vom kühlen Wasser reinigen, stieg dann an Land, wo Ennand schon wartete und ihn mit einem rauen Tuch trockenrieb. Ayri reichte ihm die typische Kleidung eines Bauern vom Draa, ein weites, grob gewebtes Hemd und eine dreiviertel lange Hose mit ausgefransten Beinen. Unter den neugierigen Augen der Kinder zog er die sauberen Kleider an. Dann bat er Ennand um die glühende Lunte, die dieser vom Haus mitgebracht hatte, und zündete das Bündel Kleider auf einer Sandbank am Ufer des Draa an. „Wenn das Wasser heute Nacht die Asche weggeschwemmt hat, ist mit ihr das vergangene Jahr ausgelöscht, dieses verdammte Jahr der Erniedrigung und Unfreiheit, dieses Jahr der Niederlagen, aber auch eines Sieges!" Im nächsten Moment schämte er sich der pathetischen Worte, aber anders konnte er seiner Bewegung nicht herrwerden. „Kommt her! Komm Ikken, komm Aylal, kommt meine Söhne!" Er drückte sie an sich und verkündete dann seinen Freunden, „Ohne diese Tapferen hätte ich die Freiheit nicht erlangt. Mit dem grauen Rauch, der zum blauen Himmel gestiegen ist, schwöre ich mein Leben für die Freiheit der Menschen einzusetzen, aller Menschen, nicht nur deren vom Draa."

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Der Rest des Tages verging viel zu schnell. Anirt und Amimt nahmen sofort Aylal in Beschlag. So einen Bruder hatten sich die Zwillinge schon immer gewünscht, blondhaarig, zart und so rücksichtsvoll, einer der sich sogar herumkommandieren ließ. Einen Bruder, der sie bewunderte, der alles mitmachte, vom Füttern der Glucke mit ihrer Schar durcheinander wuselnder Küken bis zum Wickeln ihrer Puppen im Baumhaus. Aylal war der ideale Bruder, einer der alles mit sich machen ließ und nicht gleich frech wurde, wie ihre Cousins.

Hiyya hatte es nicht so leicht. Auch sie war in Ikken vernarrt. Der war ganz anders als ihre Cousins aus den Weilern in der Nachbarschaft. Er war blond wie sie, aber schlank, flink und sogar gesprächig! Sie musste erst mit ihrer Mutter einen Kampf ausfechten, bevor sie Ikken zum Heimholen der Ziegenherde aus dem Wald mitnehmen durfte. „Hiyya, du bist schon groß und Ikken ist ein junger Mann! Baba hat dich schon deinem Cousin Merin versprochen! Du kannst nicht einfach mit einem fremden Jungen im Wald herumstrolchen. Du kennst ihn doch gar nicht! Er ist aus der Stadt! Ein Stadtjunge!!!" Aber das war ja was Hiyya besonders reizte, „Ich will meinen Cousin Merin nicht! Der ist dick, dumm und stinkt! Den heirate ich nicht! Ich möchte Ikken! Ich liebe ihn jetzt schon. Guck nur wie gelenkig und schnell der ist!" Dabei zeigte sie auf Ikken, der mit ihrem Vater und KeYNamM den zweirädrigen Karren mit Säcken, gefüllt mit Argahneicheln, belud, die Ennand am nächsten Tag zum Markt bringen wollte.

Natürlich setzte sich Hiyya durch. Als der Wagen beladen war, nahm sie Ikken einfach bei der Hand. „Ich brauch dich, Ikken. Komm mit! Wir müssen die Ziegen aus dem Wald holen und in den Pferch treiben, sonst holt sich der Fuchs in der Nacht ein Zicklein." Als Ikken die Ziegenherde nicht sofort entdeckte, zeigte sie auf einen freistehenden Argahnbaum. „Die klettern im Baum herum und fressen die Blätter und die Früchte!" Mit Stöcken und Steinen brachten sie mit viel Mühe die Leitziege dazu, vom Baum zu klettern. Einmal unten, ging die Leitziege voran und die andern folgten ihr zum Pferch.

Nachdem die Dämmerung hereingebrochen war, wurden alle fünf Kinder ins Haus zum Schlafen geschickt. Ennand, KeYNamM und Ayri setzten sich auf die Bank neben der Haustür und begannen sich von den Ereignissen der letzten Monate zu erzählen, die Vorhaben für die nähere Zukunft zu diskutieren und KeYNamM weihte die beiden grob in seine Pläne für die nächste Zeit ein. „Ich hab geschworen zunächst meine Freunde aus dem Straflager bei der Kristallmine zu befreien und dazu brauche ich eure Hilfe. Ich habe schon einen Plan. In diesen werde ich euch aber nicht einweihen. Besser ihr wisst nichts, wenn jemand nach meinen Plänen fragt. Nur soviel. Ich muss euch bitten, Ikken und Aylal für die nächsten Tage Unterschlupf zu gewähren, bis ich den ersten Teil meines Planes umgesetzt habe."

„Ikken und Aylal? Mit Freuden. Die Zwillinge wären ganz traurig, wenn sie ihren lieben Aylal schon wieder weglassen müssten ...", lachte Ennand, „ … und erst Hiyya!", meinte Ayri kopfschüttelnd, „Die ist wie verwandelt. Ich habe sie noch nie so aufgeregt gesehen. Sie hat Ikken ins Herz geschlossen und betet ihn an! Ich glaube, sie ist in ihn verliebt! Zum ersten Mal verliebt!"

Im flachen Haus mit den dicken Lehmwänden und den kleinen Fensterluken waren nur zwei Räume. Ein großer Wohnraum, mit einer Feuerstelle und dem erhöhte Schlafplatz für die Eltern, und ein kleinerer Raum, der mit einer Holzwand vom großen abgetrennt war. Dieser Raum war das Reich der drei Mädchen. Zwischen Feuerstelle und der Tür zum Nebenraum war an der Wand entlang eine niedrige Bank aufgemauert, auf der KeYNamM schlafen sollte, solange sein Besuch dauerte. Ikken und Aylal hatten sich mit den Mädchen die Kammer zu teilen. Sie durften in Hiyya's Bett an der linken Wand schlafen, während die sich das Bett auf der anderen Seite mit ihren Schwestern teilen musste.

Aylal schlief sofort ein, als er sich auf den weichen Strohsack zusammengerollt hatte. Nicht aber Ikken. Zuerst hielten ihn die ungewohnten Nachtgeräusche wach, das Röcheln des Esels in Stall, das Gackern der Hühner, bevor die sich auf die Stangen im Schuppen zur Nacht niederhockten, das leise Blöcken der Schafe und Meckern der Ziegen vom nahen Pferch, das Huuten der Eulen unter dem Dach in der Scheune und natürlich die Geräusche all der Tiere im nahen Wald und unten am Draa.

Später kam Hiyya in Zimmer geschlichen, aber anstatt einfach zu ihren Schwestern ins Bett zu kriechen, begann sie sich vor der Fensterluke, durch die Mondlicht in die Kammer drang, auszuziehen. Zuerst brauchte sie einige Zeit bevor sie sich das buntbestickte Oberhemd unter seltsamen Verrenkungen ihres mageren Körpers über den Kopf gezogen hatte, dann entledigte sie sich betont langsam der dreiviertellangen Hose und als sie im kurzen Unterhemd im Mondlicht stand, begann sie einen seltsamen Tanz, der Ikken an die Schlangentänzerinnen, deren Verrenkungen er immer auf dem Soukh bewundert hatte, aber auch an die kreisenden Bewegungen der Bauchtänzerinnen, denen er und seine Freunde in den Tavernen nachspioniert hatten, erinnerte. Er hätte zu gern gesehen, wie Hiyya ohne Hemd aussah, aber sie machte ihm den Gefallen nicht, sondern schlüpfte schnell ins Bett. Erst jetzt merkte er, dass ihn ihr Anblick erregt hatte und es brauchte einige Zeit bis sein Penis wieder schlaff wurde. Am liebsten hätte er sich befriedigt, aber nach einigen Rubblern hörte er auf, da er nicht sicher war, ob Hiyya schon schlief.

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Das Geflüster der Erwachsenen, die sich in der Abendkühle auf der Bank vor dem Haus unterhielten, weckte ihn wieder auf. Ihre Unterhaltung war so leise, dass er nur Brocken des Gesprächs verstand. Immerhin bekam er mit, dass Aylal und er ein paar Tage in der Obhut von Ennand und Ayri bleiben sollten, während KeYNamM auf eine wichtige Reise gehen wollte. Nein, nein, das passte ihm gar nicht! KeYNamM wollte sich allein auf eine gefährliche Reise begeben! Ohne ihn, ohne Ikken? Er musste doch auf den Amestan aufpassen. Der war immer so unvorsichtig und vertraute sogar Menschen, die er nicht kannte! Er musste seinen neuen Vater KeYNamM-baba begleiten! Aber würde der das zulassen?

Endlich schlief Ikken wieder ein! Plötzlich riss ihn ein röchelndes Geschrei aus dem Tiefschlaf. Er erkannte das Geschrei! Es war kein Mensch in Not! Darin war er sich sicher. Aber er brauchte einige Zeit bis ihm aufging, das es Eselsgeschrei war, von einem unwilligen Tier, das in seiner Ruhe gestört worden war. Im Licht des heraufdämmernden Morgens sah er durch die Fensterluke dass KeYNamM und Ennand das Tier vor den zweirädrigen Karren spannten, auf den sie zudem Säcken mit Früchten des Argahnbaumes sowie drei fette Lämmlein, zwei Zicklein, einem Korb mit einem halben Dutzend Hühner und Gurken, Spinat und Zwiebeln luden.

Noch bevor die Sonne über den Wald auf der anderen Seite des Draa gestiegen war, lenkte Ennand den Karren den Weg zum Plateau hoch, der zum Markt im nächsten größeren Ort im Grenzland führte. „Pass gut auf!", rief ihm KeYNamM nach, „Achte darauf, was über meine Flucht aus der Stadt erzählt wird, aber frag nicht selbst danach. Verplaudere dich nicht! Vergiss nicht, ich bin nicht hier und auch nicht Ikken und Aylal. Und vergiss die Pfeilspitzen und den Dolch nicht. Die brauche ich dringend! Kauf Stoff für Ayri, damit sie dir die Kleidung ersetzen kann, die du mir abgegeben hast!" Ayri küsste Ennand zum Abschied, „Komm gut zurück! Sei vorsichtig Mann!"

Ikken wachte erst wieder auf, als die Sonne ins Zimmer schien. Diesmal war es ein grausiges Stöhnen, welches ihn aus dem Schlaf riss. Erschreckt stolperte er zum kleinen Fenster und spähte hinauf zum Wald, von wo die schrecklichen Laute kamen. Henkersknechte mussten einen Unschuldigen im Wald martern, schrecklich quälen! Wurde KeYNamM gequält oder Ayri? Er hielt sich die Ohren zu und wollte schon barfuß, aus dem Haus stürzen und den Unschuldigen zu Hilfe eilen, als er mit Hiyya zusammenstieß, die aufgestanden war. Die grinste nur. „Was das ist? Ikken, hast du Angst?"

„Hörst du es nicht? Jemand wird gemartert, vielleicht ermordet! Dort im Wald! Ich muss ihm helfen!" Hiyya lachte noch mehr, piekte ihm mit ihren Zeigefinger in den Bauch. „Das ist der Geißbock! Eine der Ziegen ist läufig! Er riecht es und will ihr Zicklein machen!" Als Ikken sie fragend ansah, meinte sie: „Hast du das noch nie gesehen?" Hiyya nahm ihn an der Hand „Komm schnell, das ist lustig! Die tanzen miteinander!" Hiyya, nur bekleidet mit ihrem dünnen Unterhemd und Ikken in seiner weiten Dreiviertelhose, schlichen aus dem Haus. Warnend legte Hiyya einen Finger auf die Lippen, „Sei leise, Mutter sieht es nicht gern, wenn ich dabei zuschaue!"

Im Pferch tanzten der Bock und die Geiß. Erst roch er an ihrem Hinterteil. Dabei zog er die Oberlippe hoch und steckte die Zunge leicht heraus. „Schau wie der Bock flehmt!", sagte Hiyya und stieß Ikken in die Seite. Die Geiß wedelte mit ihrem kurzen Schwanz ganz aufgeregt vor seiner Nase herum. „Fächelt sie ihm Luft zu? Ist er krank?", fragte Ikken. „Nein, nein! Aber schau nur, jetzt leckt er an ihrem Po und blökt!" Die Geiß tänzelte und der Bock drängte an ihre Seite. Erst stupste er sie vorsichtig mit seiner Nase am Kopf, als wollte er sie küssen, dann stellte er sich parallel zu ihr und legte einen Vorderlauf über den Rücken. Es sah fast so aus, als wollte er sie bitten stehenzubleiben. Aber sie trabte weiter und er begann sie wieder von hinten zu beschnüffeln. Dabei blökte er herzzerreißend. Dieses Ritual wiederholte sich wieder und wieder. Die Geiß führte den Bock durch den gesamten Pferch, zwischen den andern Ziegen und den Schafen durch bis zum Zaun und wieder zurück. Wenn der Bock zurückblieb, begann die Geiß sofort mit ihrem Schwanz vor seiner Nase zu wedeln.

„Siehst du Ikken, sie lockt ihn! Er soll sie decken!" „Decken?" Ikken wusste nicht genau, was Hiyya damit meinte. Bisher hatte er nur gesehen, wie ein Eselhengst auf eine Stute sprang. Aber die führten davor nie so einen Tanz auf. Bei denen ging alles ganz schnell, der Hengst schrie, rannte zur Stute und sprang auf sie auf. Natürlich hatten er und seine Kumpels vom Soukh auch Hunde beobachtet. Oft balgten sich fünf oder sechs Rüden um eine Hündin. Der, der gewann, durfte dann aufreiten und anschließend blieben die beiden so lange aneinander hängen, bis es ihm und seinen Freunden zu langweilig wurde und sie wegrannten. Das hier aber war anders! Der Bock warb wirklich um die Geiß und sie gab den Ton an. Jetzt schnupperte er wieder an ihrem Hinterende und flehmte. Plötzlich blieb die Geiß vor dem Bock stehen, machte einen Buckel und drängte rückwärts. Das war der Moment, auf den der Bock gewartet hatte. Er sprang auf sie auf. Er umklammerte ihr Hinterteil mit den Vorderläufen und drückte seinen Bauch ganz fest an ihr Hinterende. Jetzt wollte sie vorwärts, aber er hielt sich mit den Vorderläufen fest und stieß immer wieder zu. Als der Bock endlich absprang, machte die Geiß einen Katzenbuckel, spreizte die Hinterbeine und gab einen dicken Strahl Urin ab. Das erregte den Bock aufs Neue. Er steckte seine Zunge in den gelben Strahl und ließ den gelben Saft über seine Nase rinnen. Dann flehmte er und der Tanz der beiden begann von vorn.

Erst jetzt bemerkte Ikken, dass die Ritze der Geiß ganz rot war und ihre Flanken bebten. Bisher hatte er gar nicht auf den Penis des Bocks geachtet, aber jetzt sah er genauer hin. Der war dünn wie ein Ästchen. Lang, dünn und hatte eine rote Spitze, wie eine richtige Rute.

Hiyya hatte die Ziegen schon oft beobachtet, aber immer allein. Jetzt stand Ikken neben ihr. Er hatte eine Hand vorn in die Hose gesteckt und spielte mit etwas herum, mit etwas ziemlich großem und seine Hand bewegte sich im gleichen Rhythmus wie der Bock seine Rute in die Geiß rammte. Das sah sie ganz genau. Jetzt wusste sie es. Er hatte einen Piepmatz, wie sie ihn bei ihren Babycousin gesehen hatte, aber Ikken's was bestimmt viel größer, so groß wie der des Ziegenbocks? Auch ihre Muschi war in der letzten Zeit gewachsen, besonders die Lippen. Die waren jetzt dick und schwollen oft an und dann juckten sie und ebenso ihre Ritze.

Auch jetzt juckten die Lippen und die Ritze und sie hatten auch gestern Nacht gejuckt, als sie an Ikken beim Einschlafen gedacht hatte. Hatte sie von ihm geträumt? Morgens war sie zwischen den Beinen ganz nass gewesen. Sie musste deswegen unbedingt mit ihren Cousinen reden, wenn sie die das nächste Mal traf.

Ikken schaute nur auf den Bock und wie er die Geiß deckte und beachtete Hiyya nicht. Aber Hiyya beobachtete ihn genau. Wie er da stand und mit seinem Piepmatz spielte. Ob der wirklich so aussah wie ihn die größeren Mädchen beschrieben hatten? Lang und steif und mit einer roten Spitze, die vorn aus der Haut herausschaute? Ikken's Piepmatz musste sie unbedingt sehen. Jetzt oder nimmer dachte sie.

Hiyya fasste sich ein Herz, „Ist dein Piepmatz auch so spitz und dünn wie der vom Bock?" Ikken's Kopf lief rot an. Er schob seinen steifen Penis schnell unter den Bund der Hose, verdeckte die herauslugende Eichel mit der Hand und versuchte ganz unschuldig dreinzuschauen. „Wie sieht der aus? Zeig mir deinen Piepmatz!", bettelte Hiyya, und als Ikken rot wurde, bot sie an „Zeig mir deinen Piepmatz, dann zeig ich dir auch meine Muschi!"

„Der heißt nicht Piepmatz! Das sagt man nur bei kleinen Jungen. Der heißt Penis oder Spitz. Wir nennen ihn immer Spitz, weil er ganz groß, ganz steif und spitz werden kann. Aber der geht dich nichts an! Du bist ein Mädchen!"

„Ich will aber deinen Spitz sehen! Meine Cousinen haben den von ihren großen Brüdern auch schon gesehen." Und dann, um Ikken zu überreden, bot Hiyya an, „Du darfst auch meine Muschi sehen. Guck hier!" Sie drehte Ikken den Rücken zu, bückte sich, hob ihr kurzes Hemd und zeigte ihm ihren Po. Sein Gesicht wurde noch röter. Er hatte schon genügend oft die mageren Hintern seiner Freunde vom Soukh beim Baden gesehen, aber Hiyya's war runder, breiter und weicher. Jetzt traute er sich genau hinzusehen. Der Spalt zwischen den Pobacken war tiefer und als sie den Po stärker vorstreckte, sah er das Löchlein. Das schrumplige Löchlein sah genau so aus wie bei seinen Freunden vom Soukh. Wie wäre es, wenn er jetzt seinen Spitz genau so hineinstecken würde, wie bei seinem Freund Takfin. Als er daran dachte, juckte sein Spitz noch mehr und ein Tropfen quoll aus dem Spalt der Eichel.

Jetzt machte Hiyya die Beine breiter, drückte den Rücken durch und blickte ihn über die Schulter an. Er sah den Unterschied. Dort, wo sonst bei Takfin das schrumplige Säckchen mit den Eiern saß, war etwas was aussah wie die zwei Hälften einer reifen Pflaume und die Hälften glänzten in der Sonne ganz feucht. Ikken streckte seinen Zeigefinger aus. „Ist … ist das deine Muschi? Darf ich sie berühren?", fragte er, als am Waldrand Aylal und die Zwillinge auftauchten, die riefen, „Hier seid ihr also! Mama sucht euch schon. Ihr sollt die Ziegen und Schafe auf die Weide am Flussufer treiben!"

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Gegen Mittag erst erreichte Ennand den Soukh am Rande des grauen Städtchens im Grenzland. Er hatte sich nicht beeilt, da er damit rechnete, dass die Marktwächter die ankommenden Händler und Bauern früh am Morgen genauer kontrollieren würden als später, wenn sie die heiße Sonne schon müde gemacht hatte. Sein Plan ging nicht ganz auf, denn gerade als er den Esel ausgespannt und die Schafe und Ziegen neben dem Karren angepflockt hatte, kam ein Marktwächter in Begleitung von zwei Soldaten heran. „Du kommst vom Draa? Von wo dort?", fragte ein Soldat.

„Ziemlich weit im Süden ist mein Hof ...", antwortete er dem grauhaarigen Grenzsoldaten, „ … von dort, wo es nicht mehr weit zum Wadi ist, der vom Osten kommt und im Draa endet."

„So, so", überlegte der Soldat, „und dir ist nichts Besonderes aufgefallen? Dir ist nicht zufällig ein Mann in deinem Alter in einem Hemd begegnet, welches das Zeichen des Imperators auf dem Rücken hat?" Der Jüngere schaltete sich ein „Er hat zwei Jungen aus der Stadt bei sich. Die hat er entführt und jetzt suchen wir ihn und die beiden. Die Eltern wollen ihre Kinder wieder! Sie haben sogar eine Belohnung ausgesetzt, 10 dicke Kristalle! Die kannst du haben, wenn du uns zu den Drei führst!"

Ennand konnte gut schauspielern. Er machte erst ein verdutztes Gesicht, dann zuckte er mit den Schultern. „Die Belohnung könnte ich brauchen, das was ich mit meinen Waren erlöse, reicht noch nicht einmal für das aus, was meine Frau sich wünscht!", er machte den Verschluss seines Hemdes auf, „Sie hat mir einen tiefen Kratzer beigebracht, nur damit ich nicht das Geld verspiele und ihre Aufträge vergesse!"

„Armer Bauerntrampel!", kicherte der Marktwächter, „Lasst uns gehen, dort hinten sind neue Besucher, die wissen vielleicht mehr!"

Beim Verkaufen seiner Waren hatte Ennand Glück. Kaum waren die Kontrolleure verschwunden, tauchte ein dicker Händler mit Turban auf, „Ich hab schon auf dich gewartet, Ennand! Bei Gott! Heute spionieren die Soldaten überall herum und schüchtern alle ein, die auf den Markt kommen!"

„Was ist denn passiert? Wenn suchen die denn?", stellte Ennand sich ahnungslos.

„Die suchen den König vom Unland! Der hat erst das Rennen auf der Himmelsleiter gewonnen und als der Gouverneur ihn danach austricksen wollte, um ihn zum Tod verurteilen zu können, ist er entkommen. Man erzählt sich, zwei Jungen haben ihm dabei geholfen! Aber der Gouverneur lässt verbreiten, der Amestan hätte die Jungen entführt!" Der Händler kratzte sich unterm Turban, „Aber jetzt zum Geschäft. Ich kauf dir alles ab! Heute bezahle ich richtig gut! Wie viele Säcke Argahneicheln hast du mit? Nur vier!" Er fasste in die Säcke und prüfte sie Ware. „Ich habe schon bessere gesehen, aber ich nehme sie dir ab, alle vier. Ich könnte mehr brauchen. Die Aufkäufer des Imperators können nicht genug Öl bekommen. Der plant wohl einen Feldzug, vielleicht gegen den Amenokal, den König der Imuhagh, der Kel Tamasheq, der Männer mit dem Gesichtsschleier!" Als Ennand ihn unverständlich anstarrte, meinte er: „Der Imperator möchte das Land östlich vom Draa auch besitzen. Passt ihr am Draa nur auf, dass ihr nicht zwischen den beiden Mühlsteinen zerrieben werdet." Der Händler zahlte gut und da er wusste, dass die Soldaten auch Fleisch brauchten, kaufte er Ennand die Zicklein, Lämmer und Hühner gleich mit ab.

Auf dem Heimweg bereute Ennand so schnell mit dem Preis einverstanden gewesen zu sein, aber das Geld reichte für alles, sowohl für die Wünsche von KeYNamM, als auch für die seiner Frau und seiner drei Töchter. Aber er kaufte auch Sachen für Ikken und Aylal, denn jetzt wusste er bestimmt, dass die Flucht des Amestan aus der Stadt ohne sie nicht gelungen wäre. Helden müssen belohnt werden, sagte er sich. Nach dieser Begegnung wusste Ennand, dass der Amestan die Hilfe benötigen würde, der Amestan und seine beiden Adoptivsöhne.

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Als Ikken am morgen aufwachte, war KeYNamM schon auf den Weg in die Wüste zum Amenokal. Er hatte nichts weiter mitgenommen als Datteln, einen gefüllten Wasserschlauch, ein langes Tuch, das er gegen die stechende Wüstensonne zur Gutra binden konnte, den neuen Dolch und die Ledersandalen, die seine Füße im heißen Sand schützen sollten. Der neue Dolch, eigentlich ein kurzes Schwert, war nicht neu, er war sogar sehr alt, wie KeYNamM sofort wusste, als er die Gravuren auf dem abgewetzten Griff aus Silber sah.

Ennand war sehr stolz gewesen, als er den Dolch KeYNamM überreichte. Als der ihn fragte, ob er wüsste, warum der junge Beduine den Dolch so billig hergeben hatte, schüttelte Ennand nur den Kopf. KeYNamM studierte die Gravuren, die zweifellos den Kopf eines Walli, eines Heiligen, darstellte, eingerahmt mit Arabesken. Er vermutete, dass der Dolch die Beute eines Grabraubs war, denn er hatte solche Kurzschwerter bisher nur in den Qubbas der alten Wüstenstadt Tamegroute bewundert, einem Wallfahrtsort weit, weit im Süden. In dieser Stadt, lag auch die Grabstätte der Könige vom Draa, eine Qubba ohne Kuppel.

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