Madz ~ Schulzeit ~ (German)

Kapitel 10: Eine große Enttäuschung und ein Lichtblick

Die Heimfahrt von der Burg Hallberg nach Gondersdorf war viel kürzer als die Hinfahrt. Eigentlich war sie‘s nicht, sie kam mir nur sie viel kürzer vor, da ich die Wege, Straßen, Brücken und Dörfer beim Vorbeisausen wieder erkannte. Nach dem Absitzen drückte ich Paul das Buch vom Ritter Johannis de Montevilla in die Hand, „Heb‘s Du auf Pollux, Mama hat bestimmt angst, dass es verhext ist.“ Damit rannte ich nachhause. Ich konnte nicht schnell genug die Dorfstraße herunterrennen, so freute ich mich wieder zu hause zu sein. Als ich die Wohnungstür aufriss, stieß meine kleine Schwester erschrocken einen Schrei aus, denn ich sah aus wie der Marsmensch, da ich vor lauter Eile vergessen hatte, den Helm abzusetzen. „Mama, das war toll! Wir haben nach einen Räuberschatz gesucht und ich hab ein altes Buch gefunden; Anders durfte mit mir in der Burg beim Kaplan schlafen und Anders und Alies haben mich eingeladen nächstes Mal bei ihnen zu schlafen!“

Mittlerweile hatte ich den Helm abgesetzt und im Rucksack das Püppchen gefunden, dass Anders mir für meine Schwester mitgegeben hatte. Dann zog ich auch die kleine Porzellanvase vom Kaplan heraus, „Für Dich Mama, von Carlo, also dem Herrn Kaplan. Anders und Alies lassen dich grüßen und Paul, also Herr Beck lässt Dir ausrichten, dass ich ganz brav war und jederzeit wieder mit ihm zur Burg Hallberg fahren darf.“

Meine Mutter wollte natürlich alles über Herrn Beck, Kaplan Carstens, Anders und Alies wissen, also über Andreas Dürr und Alois Bundschuh. Ich erwähnte natürlich, dass Anders und Alies Halbbrüder wären und sie wollte sofort den Familiennamen der beiden wissen. „Ich hab Dir‘s doch gerade gesagt, Anders heißt Dürr und Alies Bundschuh. Die haben den gleichen Vater aber verschiedene Mutter. Sie heißen also nach ihren Müttern und die sind eng verwandt.“ Dann erzählte ich von Alies‘ Laden und den Auslagen mit  den Aufschriften Kurzwelle, Langwelle, Dauerwelle. Mama, meine Schwester und meine Großmutter staunten nur und Grußmutter lobte mich sogar, „Du bist übers Wochenende ja richtig erwachsen geworden.“ „Bin ich auch größer geworden?“ fragte ich neugierig. Sie schüttelte nur den Kopf! Macht nichts dachte ich, Anders mag sein Bobäle ach so.

Später fiel ich todmüde ins Bett und wachte erst auf, als mich meine kleine Schwester am Morgen wachrüttelte. Meine Mitschüler hatten doch mitgekriegt, dass ich mit Herr Beck einen Ausflug gemacht hatte. Sie nannten mich Lehrerbubi, aber sie waren nur eifersüchtig weil ich auf der Suzi mitfahren durfte. Als Nickl „Lehrerbubi“ auf dem Heimweg wiederholte, haute ich ihm eine auf die Nase. Am nächsten Tag zog mich niemand mehr damit auf.

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Mittwoch musste ich nachmittags zu Schulleiter Gerstle. Nicht weil ich was angestellt hatte, nein, wegen meiner miserablen Rechtschreibung. „Magnus, Magnus, wie schaffst Du‘s in einem zweiseitigem Aufsatz 30 Rechtschreibfehler zu machen? So bestehst Du die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium nie! Das willst Du doch? Oder??“

Eigentlich war mir das mit dem Gymnasium schnurzegal, aber wenn Mama es meinte und Schulleiter Gerstle es meinte und sogar Paul, dann musste ich wohl dorthin. Und die Rechtschreibung! Ich konnte Lehrer Gerstle doch nicht das Buch von Ritter Johannes de Montevilla zeigen. Schrieb der nicht auch „heylig creüsz“ und meinte damit heiliges Kreuz, oder „jhesu Christj“ für Jesus Christus oder „unnd“ statt und? Lehrer Gerstle jedoch hätte bestimmt eine Ausrede gehabt, warum die Worte heute so geschrieben werden müssen wie er’s mir sagte und nicht anders. Ich erklärte ihm also nicht wie engstirnig er sei und versprach fleißig zu üben. Zum Glück konnte ich anschließend noch zu Paul flitzen und dort im Buch lesen.

Samstag war‘s schon richtig heiß. Nach dem Mittagessen kickten wir auf dem Bolzplatz und da ich ganz verschwitzt war, überredete ich Nickl mit mir schwimmen zu gehen. Der hatte keine Badehose dabei, daher borgte ich ihm meine Turnhose und ging nackt ins Wasser. Das war aber noch viel zu kalt zum Schwimmen. Nickl ging nur bis übers Knie rein. Ich traute mich wenigstens einmal unterzutauchen. Als ich rauskam war mein Spitz zu einem Würmchen zusammen geschrumpft. Der wurde auf dem Heimweg auch nicht größer, da ich mit nasser Hose nach Hause gehen musste.

Danach wurde es von Tag zu Tag wärmer. Anfang Juni ging die Badesaison los. Nach der Schule lagen wir meist auf der Wiese oberhalb der Brücke, dort wo eine Felsbank im Flussbett das Wasser aufstauten. Oberhalb dieser kurzen Stromschnelle bis zur Flussbiegung etwa 500m flussaufwärts war die Strömung des Flusses langsam und das Wasser tief genug zum Schwimmen. Über die Steine der Stromschnelle rauschte das Wasser jedoch mit hoher Geschwindigkeit. Dort war das Wasser seicht und die Steine zwischen dem Laichkraut und dem kratzigen Hornblatt den reichten bis zur Wasseroberfläche. Über diese Schnelle habe ich mich nur einmal herunter treiben lassen, denn ein zweites Mal wollte ich mir den Bauch von den spitzen Steinen nicht aufkratzen lassen.

Wir Jungs lagen fast immer im kurzen Gras direkt am Ufer. Wenn die Sonne heiß brannte, gruben wir flache Mulden in den Ufersand, verbanden die mit schmalen Kanälen und ließen das Flusswasser durchströmen. Dann hatten wir unsere eigenen, flachen Fischteiche. In die setzten wir Jungfische, die wir mit den Händen im flachen Wasser fingen.

Die Mädchen lagen meist weiter entfernt vom Ufer auf Decken und schwätzten. Wenn sie endlich einmal ins Wasser gingen, spritzten wir sie nass und sie schimpften uns aus. Als es noch heißer wurde, gingen wir am schilfbestandenen Ufer flussaufwärts bis zur breiten Flussbiegung. Dort wuchsen Teichbinsen im ruhig stehendem Wasser. Die waren jetzt im Sommer über zwei Meter hoch, etwa fingerdick und ihr Mark bestand aus Luftkammern. Sie waren ideal zum Bauen von Flößen. Wir rissen immer nur soviel Binsen heraus, dass wir ein dickes Bündel hatten. Dann verschnürten wir die Binsen zu einem Floß,. Mit dem Oberkörper legten wir uns auf das Floß, steuerten es mit viel Gestrampel der Füße zur Flussmitte und ließen uns dann gemächlich flussabwärts treiben.

Helmes hatte ich seit unserer Spielerei in meinen Versteck am Waldrand nur noch in der Schule oder der Kirche gesehen. Jetzt, seit Beginn der Badesaison, begegnete ich ihn auch ab und zu an der Badestelle oberhalb der Brücke jedoch nur am Samstag, wenn er sich den Stallgeruch der ganzen Woche im fließenden Wasser wegspülte.

An einem Sonntagnachmittag mitten im Juni erwischte ich ihn, als er in der Flussbiegung auf einer halb untergetauchten Baumwurzel saß. Zuerst sah ich nur seinen Kopf, der angestrengt nach unten sah. Als ich pfiff, blickte er grinsend hoch und winkte mir zu, „Komm ins Wasser Madz! Guck was i koo! Jetz kon i‘s a!“ Als ich die steile Uferböschung herabgerutscht war, sah ich dass er seine Badehose bis zu den Knien herabgezogen hatte und mit einer Hand seinem steifen Spitz rieb. Plötzlich traten seine Augäpfel fast aus den Höhlen und er begann zu schnaufen „Guck, guck Madz, hast‘s gsehn?“ Zwei, drei dicke weiße Tropfen flogen nacheinander aus seinem steifen Spitz in die Luft und platschen ins Wasser, wo Jungfische sofort um ihren Anteil an der Wixe kämpften. „Geschtern bin i‘s erschtmol komme!“ Er strahlte vor Stolz „Machst mit?“ Natürlich hatte ich Lust mitzumachen. Aber da fiel mir Anders ein und mein Gewissen meldete sich. „Heut nicht, ich will mir ein Floß bauen!“ Da Helmes schlecht schwimmen konnte und zudem Angst vorm tiefen Wasser hatte, war ich sicher, das er dabei nicht mitmachen würde. Ich hatte recht.

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Am Sonntagnachmittag schaute ich ob Paul von seinem Ausflug zu Carlo in Burg Hallberg schon zurück war. Da ich sein Zimmer abgeschlossen fand, stieg ich die Treppe wieder herunter und beschloss baden zu gehen. Auf dem Weg durch den Hof kam ich an Paul‘s Schuppen vorbei und blickte zwischen den Latten durch. Suzi stand drin, also war Paul schon zurück oder gar nicht zu Carlo gefahren. Was konnte er schon bei der Hitze machen? Baden, natürlich baden. Er musste am Fluss sein. Aber wo? An der Brücke, unsrem Badeplatz, hatte ich ihn noch nicht gesehen, also war wahrscheinlich zur kleineren Badestelle oberhalb des Dorfes gegangen.

Diese Badestelle wurde s‘Kuhlöchle genannt. s‘Kuhlöchle wurde vor allem von Mädchen mit ihren kleineren Geschwistern besucht, weil dort das Wasser recht seicht war und die Kleinen dort im warmen Wasser spielen konnten. Nach Beginn der Dunkelheit trafen sich dort aber auch junge Pärchen, wurde gemunkelt.

Von weitem hörte ich schon das fröhliche Gequietsche der kleinen Kinder und beim Näherkommen sah ich sie zusammen mit ihren Schwestern im Wasser plantschen. Ich machte einen Bogen um den eigentlichen Badeplatz, weil ich keine Lust hatte von den Mädchen angesprochen zu werden. Plötzlich sah ich ein Stück flussaufwärts Paul im Schatten eines Weidenbuschs auf einer Decke liegen. Er war in ein Buch vertieft. Ich wollte ihn überraschen, legte mich auf den Bauch und versuchte wie ein Indianer an ihn heran zurobben. Das wäre mir auch fast gelungen, wenn ich mir beim Robben nicht ein Knie auf einen spitzen Stein angestoßen hätte. Mein leiser Aufschrei alarmierte Paul.

„Ich hatte schon auf Dich gewartet Ganymed, aber als Du nicht aufgetaucht bist, bin ich vor der Hitze hierher geflohen!“ „Und ich hab Dich gesucht. Ich wusste ja nicht ob Du schon zurück bist. Damit setzte ich mich im Schneidersitz ins Gras neben seiner Decke und tastete er die gerötete Stelle auf meinem Knie ab, „Nicht tödlich!“ meinte er, „Und?“ Er blieb ausgestreckt liegen. Das Und beantwortete er aber ebenso wenig wie ich es beantworten konnte. Nach eine längeren Pause wollte ich neugierig wissen. „Und Du bist heute nicht in Burg Hallberg?“

„Castor hat zu tun! Er plant zum Schuljahresschluss ein Theaterstück. Dafür wählt er dieses Wochenende zusammen mit dem Deutschlehrer, dem SchulRektor und dem Stadtpfarrer die Schauspieler dafür aus. Anschließend veranstalten sie gleich die Probelesungen, um rauszukriegen, ob die ausgewählten Schüler auch zu den Personen im Stück passen.“ „Macht Anders mit?“ „Nein, natürlich nicht. Anders ist erst in der Sexta und im Stück dürfen spielen nur Unter- und Oberprimaner mitspielen. Aber da Alies für die Beleuchtung verantwortlich sein wird, kann Anders bestimmt helfen.“ „Vielleicht kann er ja die Masken machen.“ „Bestimmt, denn die führen die Räuber von Schiller auf. Bei allem was Anders über Veit Scharpf weiß, fallen ihm bestimmt die richtigen Kostüme ein!“

Plötzlich setzte sich Paul auf, stützte seinen Oberkörper mit den Armen hinter dem Rücken ab und begann schweigend auf den Wald am gegenüberliegenden Talhang zu starren. Das ging eine ganze Weile so. Dann drehte er den Kopf zu mir und schaute mich lange an. „Ich werd Dich vermissen Ganymed!“ Als er mein verblüfftes Gesicht sah, „Es tut mir leid, aber ich hätt‘s Dir früher sagen sollen.“ Er schluckte, „Freunde tun so was nicht! Aber ich habe gestern erst Bescheid bekommen. Am Ende des Schuljahrs verlass ich Gondersdorf und geh ans Hall-Internat.“

Ich muss ganz belämmert geblickt haben, denn Pollux beugte sich herüber und zog mich zu sich, „Mein Ganymed, Du weißt doch, dass ich Dich mag. Ich mag Dich am allermeisten von allen Schülern hier. Ich hab’s mir lange überlegt, aber wenn Du im nächsten Schuljahr aufs Gymnasium gehst, dann werd ich so und so nicht mehr Dein Lehrer sein.“ Ich drehte den Kopf weg und fing an zu schnuffeln. Da drückte er mich noch fester. „Ich versprech’s Dir, ich komme Dich besuchen und lade Dich ein, in den Ferien nach Stadt Hallberg zu kommen. Dort kannst Du mit Anders spielen soviel Du willst und schöne Tage verbringen!“

Plötzlich war ich total geschafft. Die Sonne war plötzlich keine Sonne mehr und der Sommer kein Sommer, der Fluss duftete nicht mehr nach Fluss, alles war anders, blass, traurig. Als ich aufsprang und weglaufen wollte packte mich Paul, „Komm mein Ganymed, lass uns morgen nochmals drüber sprechen, vielleicht gib‘s eine Lösung.“

Aber ich wollte nichts hören, ich riss mich los und rannte weg.

Zuhause ging ich gleich ins Bett. Meine Mutter wollte wissen, was passiert ist, „Hast Du was angestellt? Hast Du Dich verletzt?“ Ich drehte mich zur Wand und gab vor einzuschlafen. Ich schlief nicht ein, lange nicht! Warum? Warum? Warum wollte Pollux weg. Er war hier mein einziger Freund. Nickl, Stanni, Helmes? Die zählten nicht. Die anderen Lehrer zählten nicht. Pfarrer Angler zählte nicht. Warum zählt eigentlich Pollux? Warum wollte ich ihn als Freund? Ich wusste es nicht. Das machte mich wütend. Wenn er jetzt ein Frosch wäre, hätte ich ihn an die Wand geworfen, dass er platzt! Wenn er eine Fliege wäre, hätte ich ihm die Flügel ausgerissen!. Aber so? Wenn, wenn, wenn…… Irgendwann musste ich trotz meiner Enttäuschung und Wut eingeschlafen sein.

Am nächsten Tag im Unterricht schaute ich nicht zu ihm auf, nicht einmal wenn ich eine Frage beantwortete. Für mich war er einfach nicht da. Als er meinen Zustand bemerkte, nahm er mich im Unterricht nicht mehr dran. Das machte mich noch wütender, noch enttäuschter. Am Sonntag hatte ich mich so gefreut am Montag im Buch weiter lesen zu können, das ich im Burgkeller gefunden hatte. Jetzt wollte ich nicht mehr. Überhaupt das Buch, soll er‘s doch behalten. Es lag ja doch bei ihm.

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Freitag kam die Nachricht, dass ich am nächsten Montag zur Aufnahmeprüfung im Gymnasium antreten musste. Am ersten Tag würde ich ein Diktat schreiben und sollte mündlich in Heimatkunde geprüft werden. Am zweiten Tag würde ein Aufsatz folgen, für den wir zweieinhalb Stunden Zeit hätten. Am dritten Tag wäre dann eine Rechenarbeit dran und eine weitere mündliche Prüfung in Allgemeinwissen. In der Rechenarbeit sollten die vier Grundrechenarten abgeprüft werden. Es würde besonderer Wert auf Textaufgaben gelegt stand in der Mitteilung.

Meine große Schwäche war die Rechtschreibung. Daher übte Mama‘s Freund, Lehrer Gerstle, an den verbleibenden zwei Tagen Diktat mit mir. Montag in aller Früh fuhr ich nach Mühlbach zu den ersten Prüfungen und dann Dienstag und Mittwoch zu den weiteren. Schon am Freitag kam ein Brief vom Gymnasium. Mama riss ihn in freudiger Erwartung auf, begann zu lesen und wurde ganz blass. Sie setzte sich erschrocken auf den nächsten Stuhl. „Du wirst nicht aufgenommen. Die haben nur 28 Plätze in der ersten Klasse und Du bist nach den Noten der einunddreißigste.“

Dann schaute sie genauer hin. „Deine Durchschnittsnote ist mit 2,4 geringfügig besser als die Note zum Besuch des Gymnasiums berechtigt. Du hast noch eine Chance, wenn drei Kandidaten ihren Platz zurückgeben. Aber der Rektor geht davon aus, dass das nicht der Fall sein wird.“ Sie seufzte enttäuscht, „Er schreibt zwar, wir sollen uns um einem Platz an einer anderen Schule bemühen und wünscht Dir viel Erfolg.“ Mama liefen plötzlich Tränen über die Wangen und sie begann im Zimmer auf und ab zugehen, „Geht doch gar nicht! Das war das einzige Gymnasium, das du von hier mit dem Bus erreichen kannst und um Dich auf ein Internat zu stecken hab ich doch kein Geld.“

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Auch ich war enttäuscht. Ich wusste, dass das Diktat schlecht ausgegangen war. Es waren einfach zu viel fremde Wörter drin gewesen. In der mündlichen Prüfung konnte ich alle Fragen beantworten, sowohl in Erdkunde, als auch alles über die Tiere und Pflanzen, die bei uns lebten. Ich kannte sogar den Erdumfang, zumindest annäherungsweise.

Im Aufsatz sollten wir unser schönstes Ferienerlebnis schildern. Na ja, da ich die Ferien immer zuhause verbringe, gab‘s da nicht viel zu erzählen. Ich malte daher den Besuch im Bergfried mit den grausigen Marterwerkzeugen aus. Schrieb, dass ich Angst bekommen hätte und dann schilderte ich die Suche nach dem Schatz von Veit Scharpf mit seinem negativen Ergebnis. Das mit den Marterwerkzeugen fand die Lehrerin nicht so gut, wurde aber durch die Schilderung der Suche nach dem Geheimgang und dem Schatz versöhnt. Sie gab mir aber Minuspunkte wegen der Schreibfehler. Von den Rechenaufgaben löste ich alle richtig, aber bekam Punktabzüge bei den Textaufgaben. „Wegen der Rechtschreibung“ sagte der Mathelehrer. Die Punktabzüge waren ungerecht! Warum kann ich die Wörter nicht schreiben, wie ich sie hörte!

Mutter wollte mich trösten, aber heute hatte ich keine Lust darauf von ihr getröstet zu werden. Stattdessen ging ich runter zum Fluss und setzte mich dort ans Wasser wo es ganz schnell über eine Kiesbank floss. Die Stelle war weit genug von der Badestelle an der Brücke und vom Kuhlöchle entfernt, so dass ich den Rest des Tages allein sein konnte. Dort ließ ich Steine übers Wasser hüpfen. Als ich nach Einbruch der Dunkelheit nach hause kam saß Pollux am Tisch. „Lehrer Beck wartet schon lange auf Dich. Wo warst Du denn?“ sagte Mama und schob mich zum Tisch. Am Liebsten wäre ich umgedreht und weggerannt. Mitleid brauchte ich nicht, schon gar nicht von Pollux.

Pollux‘ Gesicht war nicht so ernst, wie ich erwartet hatte. Ich, sein Lieblingsschüler, nicht ins Gymnasium aufgenommen! Das verstand ich nicht. Er hätte sauer auf mich sein müssen, aber nein! Als er mich so betröpfelt vor sich stehen sah, lächelte er plötzlich. „Ist die Welt untergegangen, Madz? Komm, es gibt immer eine Lösung! Wenn die Dich nicht wollen, dann gibt‘s andere Schulen, die solche Jungs wie Dich mit Handkuss nehmen.“ Als ich ihn fragend ansah, „Ich habe mit Carlo und dem Stadtpfarrer von Hallberg gesprochen. Carlo findet es auch doof, dass Du nicht auf das gewünschte Gymnasium gehen kannst, aber er meint er weiß die Lösung.“

Ich traute Pollux immer noch nicht. Außerdem verstand ich nicht was Carlo und der Stadtpfarrer mit meinem, d. h. unserem Problem, zu tun haben könnten. Ich schaute zu meiner Mama und sie lächelte sorgenvoll aber erleichtert. „Frag doch Herr Beck, was er Dir vorschlägt.“ dann fuhr sie mir aufmunternd über die Haare. „Du darfst nicht mehr böse auf ihn sein. Glaubst Du ich habe nicht bemerkt, dass Du seit Tagen den Kopf hängen lässt. Ich konnte mir denken warum, als mir Lehrer Gerstle erzählte, dass Dein Lieblingslehrer nach Stadt Hallberg ans Internat will.“ Dann stupste sie mich an, „Frag schon!“

„Fährst Du mit mir zur Burg am Wochenende?“ Grinste Pollux mich verschwörerisch an, „Wir können vielleicht zwei Probleme auf einmal lösen. Du kannst zeigen, dass Du fähig bist aufs Gymnasium zugehen und ich behalt meinen Lieblingsschüler!“ „Wie soll das gehen?“ rutschte erstaunt mir raus. „Ob‘s geht, muss sich erst herausstellen? Aber dazu darfst Du nicht mehr sauer auf mich sein und mitkommen! Kommst Du?“ Am liebsten wäre ich Pollux um den Hals gefallen, traute mich jedoch nicht, wegen einer Mama und wegen Pollux. Pollux hatte ich noch nie umarmt.

 

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