Madz ~ Schulzeit ~ (German)

Kapitel 2: Lehrer Beck und Kaplan Carstens erinnern sich an die Schulzeit

Am gleichen Tag, als Madz den Brief und die Tüte mit Himbeerbonbon fand, läutete das Telefon von Paul, so hieß Lehrer Beck mit Vornamen, aber noch am frühen Morgen. Eigentlich war es schon ziemlich spät, aber er hatte verschlafen. Da das Telefon nicht aufhörte zu klingeln sprang Paul aus dem Bett, stolperte verschlafen zum Schreibtisch und entdeckter es kurz vor den elften Klingelzeichen unter einem Berg von Schulheften. „Pollux, Pollux warst Du nicht allein? Hast Du endlich Deinen Ganymed ins Bett gekriegt?“ zog ihn die aufgekratzte Stimme aus dem Telefonhörer auf. „Wehe, wehe Dir!“ dröhnte die Stimme, wie die eines Racheengels, „Die Erinnyen sind schon auf dem Weg zu Dir! Die Rabenschwarzgewandeten werden Dir bei lebendigem Leibe das Fleisch von den Knochen reißen! Wehe, wehe!“ Paul platzte fast vor lachen! „Castor, Castor, ich habe Dir doch geschworen treu und brav meinen Aufgaben als Lehrer nachzukommen und die lieben Kleinen vor allem Unheil zu schützen, wie es das Gesetz befiehlt!“

„Pollux, Pollux! Ich erinnere mich noch ganz genau was Du mit mir gemacht hast, als wir uns kennen lernten!“ jetzt kicherte die Stimme, „Erinnerst Du dich noch, was Du am dritten Tag in der Quarta mit deinem Banknachbar angestellt hast! Vergewaltigt hast Du ihn! Du Untier!“ „Nein, nein Castor, Deine Erinnerung verdreht wieder die Ereignisse! Als ich Dich im Turnunterricht auf die Matte schmiss, dann hast Du mich einfach hochgestemmt, dann auf den Rücken geworfen und auf der Matte festgepinnt. Ich konnte mir nur dadurch helfen, dass ich Dir ein Knie in die Eier gerammt hab! Da hast Du aufgejault und sofort losgelassen!“ „Dafür habe ich mich auch gerächt! In der nächsten Deutschstunde hab ich mich böse gerächt!“ die Castors Stimme wurde teuflisch! „Als Du die letzte Zeile von Goethes Osterspaziergang heraus stottertest: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein! hab ich Dich in den Sack gezwickt und Du hast gequiekt wie ein Schwein!“ „Und habe ich Dich verpetzt? War ich Dir böse? Sag den alten Spruch jetzt bloß nicht wieder!“ „Stimmt der denn nicht? War‘s nicht der Beginn für eine wunderbare Freundschaft!“ „Ja! Klar! Aber danke nochmals, vor allem für die gemeinsame Strafarbeit! Schließlich war sie ja der Ursprung unserer ewigen Freundschaft!“ „Und unsrer Spitznamen, Castor und Pollux, die Unzertrennlichen!“

Während des Gesprächs versuchte Paul sich mit einer Hand die Hose anzuziehen, während er sich mit der anderen ein trockenes Brötchen in den Mund stopfte, da es schon höchste Zeit war zum Unterricht zu gehen. Castor jedoch gab keine Sekunde Ruhe „Aber jetzt zurück zu Deinem Ganymed! Weiß der schon das Du der Sohn von Zeus bist und daher sein legitimer Nachfolger? Hast Du ihm die Geschichte mit dem Adler erklärt? Hat er kapiert wie es um Dein Herz steht?“ „Halts Maul! Du bist ja nur neidisch! Deine Ministranten sind bestimmt nicht so sexy wie mein Ganymed in seinen viel zu engen Turnhosen! Aus denen ist er mindestens seit einem Jahr herausgewachsen! Und! Weißt Du was, Unterhosen mag er auch nicht!“ „Woher weißt Du das denn? Hast Du ihn schon ausgezogen! Ich merk schon, Eros hat dich in seinem Netz gefangen!“ als Pollux, also Lehrer Beck, nicht antwortete, „Vor ein paar Wochen hast Du noch mit Deinem Schicksal gehadert! Ich hör's noch! Das Dorf! Nur Landschaft und Bauern! Und jetzt???“ Castor lachte ins Telefon, „Wann führst Du mir Ganymed vor? Ich beneide Dich! Hier bin ich nur von Ministranten in langen Chorhemden umgeben und was die drunter anhaben, kann ich nur vermuten!“ „Dann bis morgen Abend Castor! Alles weitere dann! In einer Minute beginnt der Unterricht!“

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Gleich nach Unterrichtsende schrieb Pollux die Botschaft für seinen Ganymed. Dann schwang er sich auf seine Suzi, das war seine geliebte Suzuki 500, ein Motorad, und brauste gegen Norden nach Stadt Hallberg. Dort betreute Carlo seit neuestem eine Gemeinde als Kaplan und unterrichtete im Hall-Internat, einer bischöflichen Schule. Vierzig Minuten später klatschten sich Pollux und Castor vor dem alten Burggebäude ab, umarmten sich und verschwanden Arm in Arm im kühlen Gemäuer. Weitere zwanzig Minuten später tauchten beide verschwitzt aus Carlos Schlafzimmer auf, duschten und fielen dann wie hungrige Heuschrecken über die Vorräte im Kühlschrank her.

„Du bis mir die Informmmmat….en über meinen Konkurrr…..en schuldig!“ quetsche Carlo mit vollem Mund zwischen zwei Bissen hervor. „Kon?, Konkurrent?“ Paul erstickte fast, als ihm vor Lachen über die Beschuldigung der Brocken Braten beinahe im Hals stecken blieb. „Hast Du Dich verschluckt?“ prustete Carlo zwischen zwei tiefen Schlucken aus dem Weinglas, „Plagt Dich Dein schlechtes Gewissen oder erstickst Du am Braten? Ich kann Dich noch nicht einmal sechs Wochen alleine lassen, ohne dass Du dich verknallt hast.“ Als Paul einen roten Kopf bekam, hänselte er ihn, „Hast Du mir etwas in der letzten Beichte verschwiegen, Pollux? Du mir hast nie gebeichtet, dass Du auf kleine Jungen stehst!“ „Auf kleine Jungs?“ er zeigte Carlo einen Vogel, „Du bist immer noch mein Favorit, Carlo, mein Castor! Hab ich Dir das nicht vorhin bewiesen!“ Paul lehnte sich über den Tisch und versuchte seinen Freund zu küssen. Da das wegen der Breite des Tisches nicht gelang, hob er die Rechte zum Schwur, „Magnus zu mögen und ihn zu verführen ist etwas anderes. Ich geb's ja zu, ich mag den Kleinen und wenn Du ihn kennen lernst, dann wirst Du verstehen warum!“ Carlo konnte vor Erstaunen nur den Kopf schütteln, so begeistert hatte er Paul noch nicht erlebt, daher antwortete er „Aber jetzt will ich wissen, wie Dich Dein Ganymed so verzaubert hat. Ist er so schön wie der Knabe von Ganymed und dem Adler?“ Paul schüttelte den Kopf, „Schön nicht, aber schön…“ er zögerte, „lebhaft! Nein besser, voll Leben.“

Später, als sie im Gasthaus zum Ochsen auf das Abendessen warteten und vom Burgberg hinab ins Tal blickten, kam Paul auf ihr Gespräch vom Nachmittag zurück. „Magnus war die Überraschung in der Schule. Ich hab’s Dir am Telefon noch nicht erzählt, weil ich mich noch immer über den Eindruck schäme, den ich in meiner ersten Schulstunde bei der Klasse hinterlassen habe.“ Da Carlo ihn erstaunt anblickte, fuhr Paul fort, „Glaub's nur, als ich das erste Mal vor der Klasse stand hatte ich Herzflattern. Warst Du schon einmal in einer Dorfschule, in der du fast alle Fächer unterrichten musst? Ich war super nervös und neugierig zugleich. Da waren sie also, meine Fünftklässler. In den hinteren Bänken die größeren, in den vorderen die kleinere, links die Jungen, rechts die Mädchen.“

Carlo prostete Paul zu und kicherte amüsiert „Mir ging's hier ja ähnlich. Meine erst Kaplanstelle! Einen Vorgesetzten, den ich nicht einschätzen konnte! Junge Mädchen und alte Weiber, die jeden meiner Schritte neugierig mit Augen verfolgten. Zu Beginn meiner ersten Messe war ihr Tuscheln bis zum Altar hören.“ Er seufzte, „Zum Glück behandelten mich die Männer wie einen der ihren, d.h. akzeptieren mich einfach. Die Minis sind samt und sonder männlich, so brauchte ich beim Ankleiden der Messgewänder in der Sakristei keine Rücksicht zu nehmen. Mit Mädchen muss ich mich nur in der Gruppenstunde am Freitag herumschlagen.“ Carlo rieb sich die Nase, „Zum meinem Glück, denn wenn ich eine von den älteren Mädchen auf der Straße begegne, dann macht sie mir schöne Augen! Ich glaube, die hätten nichts gegen einen Kaplan im Bett.“

„Lass uns nicht abschweifen, Castor. Zurück zu meinem ersten Tag in der Schule!“ Paul schnaufte kurz durch, „Die Mädchen, ja, ja, die Mädchen! Die saßen steif da, erhoben sich folgsam, als ich in die Klasse trat und lächelten mich süß an. Natürlich blinzelte mir eine oder die andere zu. Die Zwölfjährigen dort sind frühreif und in manchen Dingen bestimmt erfahrener als die Jungs.“ Paul kratzte sich an der Nase, „Die Jungs dagegen brauchten eine Ewigkeit bis sie aufgestanden waren. Krumm und schief standen sie da, beide Hände in den Hosentaschen. Alle schienen aus Verlegenheit Taschenklavier zu spielen. Die jüngeren Schüler glotzten meist ängstlich auf das Kreuz an der Wand hinter mir, als erwarteten sie, dass der Erlöser vom Kreuz steigen und ihnen helfen würde. Die älteren, zumindest einige von ihnen, starren mir herausfordernd ins Gesicht, mit einem Ausdruck, der wohl zeigen sollte, na mit Dir Neuer werden wir schon fertig! Versuch erst gar nicht uns einzuschüchtern!“

Paul blickte durchs Fenster ins Tal „Ich musste schnell reagieren!“ Er schmunzelte amüsiert, „Weißt Du, was die uns im Seminar geraten haben? Fragt erst jeden nach seinem Namen, dann lass dir von ihren Interessen erzählen. Daraus gewinnt du den ersten Eindruck von den Schülern, von ihrer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft.“ Er seufzte, „Ich glaubte das klappt überall, auch in einer Dorfschule im Bauländle.“ Paul lachte trocken, „Ich landetet böse auf dem Hintern.

Sofort als mir die erste Schülerin ihren Namen sagte, Hannele, wusste ich das der Plan in die Hose gegangen war. s‘Hannele stotterte vor Aufregung! Sie sprach die breite unterfränkische Mundart der Gegend und ich verstand nur jedes zweite oder dritte Wort. Sie müasse der „Modda“ helfe, sie müasse koche, auf die „Kloan“ aufpasse, aber auch „d‘Küü melke“ und „Hühna füddere“ und so weiter. Ob sie Zeit zum Spielen habe oder Lesen? Nooo!, Lese? Tu i dahoim net, nur in da Schul. Aber in‘d „Kärch“ geh i gern und i sing a gern!“

„So ging es weiter, Mädchen für Mädchen, Junge für Junge. Keines der Mädchen, keiner der Jungen sprach hochdeutsch, alle unterfränkisch! Nur ab und zu streuten sie hochdeutsche Brocken ein. Wenn ich einen Ausdruck nicht verstand und nachfragte, rief dies Gekicher bei den Mädchen und leise Zwischenbemerkungen bei den Jungen hervor. So machte ich weiter, nahm Schüler für Schüler dran, bis alle bis auf die letzten drei ihr Sprüchlein aufgesagt hatten. Da läutete es auch schon zur Pause. Aber ich musste die letzten drei Jungen in der ersten Reihe noch dran nehmen. Zum Glück blieben alle Schüler brav auf ihren Plätzen.“ Carlo wurde langsam ungeduldig. “Wann stellst Du mir endlich Deinen Ganymed vor?“ „Gleich, gleich, wart nur! Die nächste beiden hießen Stanislaus und Nikolaus, genannt Stani und Nickl. Beide trugen den Familiennamen, Petrowitsch. Brüder dachte ich, aber keine Zwillinge, denn Stani war eine halben Kopf größer als Nickl! Petrowitsch klang russisch, also waren es Russlanddeutsche. Das bestätigte sich, als sie zu reden anfingen, russische Satzstellung mit unterfränkischem Akzent.“

Paul seufzte tief, doch dann hellte sich sein Gesicht auf. „Magnus, also Ganymed, war der letzte. Seinen Familiennamen war simpel und einfach Felden. Ich wusste gleich, der ist nicht aus Gondersdorf. Die Bauern hier hießen entweder Retzbach oder Breitenbach, Keilbach oder Klohe, Ziegler oder Zürn. Ich machte mich schon auf das Schlimmste gefasst. Dann die Erlösung! In dialektfreiem Hochdeutsch begann Magnus seine Interessen aufzuzählen, „Bücher“. Endlich einer der liest, dachte ich. „Versteinerungen und Federn sammeln und was sonst Interessantes draußen zu finden ist.“ Er schnappte nach Luft, „Fotografieren!“ Ja, er habe eine kleine Kamera. „Herumstreunen!“ Als ich erstaunt nachhakte: „Herumstreunen?“ er blieb bei dem Wort, „Herumstreunen, draußen am Fluss, im Wald, besonders dort wo Quellen aus den Boden sprudeln, auf den Wiesen im Tal und auf den Feldern, wenn der Schäfer im Winter seine Herde über die abgeernteten Felder führt.“

Plötzlich platzte es aus Carlo heraus, „Jetzt weiß ich warum Du Deinen Ganymed so ins Herz geschlossen hast Pollux, bis auf die Sachen mit den Schafen, bist es Du, genau Du!.“ Dann bohrte er Paul mit dem Zeigefinger in die Rippen, „Du hast also schon am ersten Tag eine verwandte Seele entdeckt! Richtig! Und sich in die verknallt!“ „Verknallt wäre zu viel gesagt! Besser, ich hatte einen Lichtschein im Dunkeln entdeckt! Glaub mir, nach dieser ersten Stunde war ich geschafft und hätte einen Kaffee gebraucht. Aber ich hatte ja überzogen und es läutete schon zur nächsten Stunde, der Turnstunde. Der Unterricht musste ohne Unterbrechung weitergehen.“

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Wenn sich das Gesicht von Paul aufgehellt hatte, als er von Magnus zu erzählen begann, dann schien es jetzt zu strahlen, „Die Turnhalle wurde gerade renoviert, der Fußballplatz lag am anderen Ende des Dorfs, also stand nur der große Schulhof für den Sport zur Verfügung. Was kann man auf einem Schulhof schon machen? Alte Lehrerregel, wenn du es selbst nicht weißt, dann frag die Schüler. Also heraus auf den Schulhof, die Schüler in Reih und Glied antreten lassen und fragen: Was spielt ihr am liebsten? Vorschläge!“ „Ich wette die Mädchen machten keine Vorschläge! Die hatten bestimmt zu viel Angst.“ „Nein, da kennst Du Mädchen schlecht! Von ihnen kamen die ersten Vorschläge. „Blinde Kuh“ und „Komm mit - Lauf weg!“ so ging’s weiter. Aber die Jungs buhten die Mädchen sofort aus. Dann rief einer der größeren Jungs „Chinesische Mauer“, ein anderer „Der Kaiser schickt Soldaten aus“ und ein dritter „Britisch Bulldog! Und der Herr Lehrer muss anfangen und den Fänger spielen“. Bevor ich noch eine Entscheidung treffen konnte, baute sich Magnus vor mir auf, „Kennst Du das Spiel Britisch Bulldog? Nein? Ich erklär's Dir. Du musst, dann verbesserte er sich, Sie müssen der Fänger sein. Wir sind die Feinde und rennen um Sie herum. Dann müssen Sie einen von uns fangen, an den Armen hochheben und im Kreis schwenken. Sobald der mit den Füßen wieder die Erde berührt ist er Ihr Helfer und muss mit Ihnen zusammen weitere Feinde fangen. Die werden dann auch Helfer. Am Ende der Stunde hat die Partei hat gewonnen, die die größere ist, die der Helfer oder die der Feinde.“

„Und wen hast Du dir als Ersten geschnappt, ich wette Magnus!“ „Klar, der stand ja direkt vor mir. Ich packte ihn hob ihn hoch und wirbelte ihn im Kreis, ließ ihn jedoch nicht runter, sondern hob ihn hoch. Dabei steckte ich meine Nase in sein Haar. Da war's, ich konnte den Geruch den ganzen Tag nicht vergessen. Es roch wie deines, als wir das erste Mal miteinander rauften!“

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Als sie das Abendessen im Gasthof zum Ochsen fast beendet hatten und vom Burgberg hinab auf das Festzelt ins Tal blickten, kam Paul auf ihr Gespräch vom Nachmittag zurück. „Magnus war die Überraschung der Schule, glaub mir. Aber der hatte noch andere Überraschungen im petto.

Als Paul gerade mehr von „seinem Magnus“ erzählen wollte, fiel ein breiter Schatten auf ihren Tisch, eine Hand klopfte auf die Tischplatte und eine kurzatmige Stimme begrüßte sie, „Grüß Gott, Kaplan! Schön Dich auch mal außerhalb meines Amtszimmers zu sehn. Und sogar mit einem Freund! Ich habe schon gedacht, Du traust Dich nicht ins Dorf und hast Angst Deinen Schäfchen außerhalb der Kirche zu begegnen.“ Der Ankömmling war der Herr Stadtpfarrer, Pfarrer Mayer, der sich breit und mächtig wie er war mit einer Hand auf Carlos Schulter stützte, „Und Du bist wohl sein Freund, der Lehrer!“ Er beugte sich zu Paul, „Er hat mir von Dir erzählt. Ich glaub er vermisst Dich.“ Er streckte Paul die Hand hin, „Es wird Zeit, das Du aufgetaucht bis, sonst versauert mein lieber Kaplan hier noch.“ Dann lachte verschmitzt er, „Ich weiß alles! Er schaut sogar weg, wenn ein Mädel ihm zublinzelt.“ Als Carlo rot wurde, klopfte er ihm auf die Schulter, „Ich bin zwar kurzsichtig, aber mit Brille sehe ich noch ganz gut. Also Kaplan, heute gilt Kneifen nicht. Heute ist Maitanz und Du kommst mit zum Festzelt! Und Du auch Lehrer. Ich habe Euch schon angekündigt.“

Den schnaufenden Stadtpfarrer in der Mitte standen die beiden eine Viertelstunde später am Eingang des Festzelts im Tal. „Ihr geht da rüber zu den jungen Leuten bei der Musik und amüsiert euch. Ich setz mich zu den Alten. Schaut, der Bürgermeister winkt mich schon rüber.“ Carlo und Paul blieb nichts anderes übrig, als sich durch die Tischreihen bis nach vorn zur Bühne zu zwängen. Auf der hatte sich die Musikkapelle aufgebaut und vor der drehten sich Paare im Tanz. Als sie sich nach Platz an den vollbesetzten Tischen umschauten, zog sie ein kleiner, drahtiger Bursche an einen der vollbesetzten Tische und befahl, „Macht Platz für unsern Herrn Kaplan und seinen Gast!“ und schob sie einfach auf die Bank am Tisch, um den Burschen in ihrem Alter saßen. „Wir sind alle vom Fußballverein!“ erklärte er, „Du hast schon mal beim Spiel vorbeigeschaut, gell. Aber ohne die Nummer auf dem Trikot erkennst Du bestimmt keinen! Hier der Lange, das ist unser Mittelstürmer, da der Bullige unsere Libero.“ begann er aufzuzählen und stellte ihnen reihum die Spieler vor. Zum Schluss sagte er, „Ich hät's fast vergessen, ich bin der Alies. Was glaubt ihr auf welcher Position ich spiele?“ Als Carlo und Paul unsicher den Kopf schüttelten, lacht er, „Torwart! Glaubt ihr mir nicht? Ich bin zwar klein, kann aber jeden Ball aus den Tor herauskratzen.“

Schon setzte die Musik wieder ein. Die Spieler sprangen auf, drängten zum Nachbartisch und forderten die Mädchen dort zum Tanz auf. Carlo und Paul wollten sich's bequem machen und nur zuschauen. Aber es kam nicht dazu. Alies war auch zum Nachbartische gegangen, tauchte jedoch wieder auf, in jedem Arm ein Mädchen, „Jetzt wird getanzt, Kaplan.“ Als ihn Carlo erstaunt ansah, lachte er, „Ausreißen gilt heut nicht, Kaplan Ich hab euch die schönsten von allen besorgt!“

Carlo und Paul waren aus der Übung, denn ihr letzter Tanz, war der beim Abiturball gewesen. Aber bald drehten sie sich wie die andern im Kreise, denn ihre Partnerinnen waren ebenso geschickt wie schweigsam, was bei der lauten Blasmusik nicht auffiel. Kaum hatte Paul das Gefühl für den Rhythmus erfasst, wurden sie jedoch abgeklatscht, d.h. ein anderes Paar stellte sich hinter sie, klatschte in die Hände und sie mussten die Partner wechseln und weiter tanzten. Jede Tanzeinlage war drei oder vier Tänze lang, dann schwieg die Musik und es folgte eine Ruhepause. Vor der übernächsten Pause hatten Paul und Carlo schon mit fast allen Mädchen des Nachbartischs Bekanntschaft geschlossen, auch wenn sie mit keiner der Tänzerinnen wegen der lauten Musik mehr als zwei Worte gewechselt hatten.

Während die Tänzerinnen bei Paul noch fremdelten und beim Tanz, sogar beim Walzer, Abstand hielten, bot ihnen der Tanz mit Carlo endlich die Möglichkeit dem neuen Kaplan ganz nahe zu rücken. Sie umklammerten ihn, pressten sich eng an ihn und wenn es die Musik erlaubte, legten sie ihren Kopf auf seine Schulter. Carlo wusste nicht wie er sich verhalten sollte, beschloss aber ab der dritten Partnerin mitzuspielen. Das machte ihm sogar Spaß. Soviel Spaß, dass sein Spitz fast ein Loch in die Hose bohrte. Er wurde ganz rot und wunderte sich, dass sein Kleiner so auf Mädchen reagierte.

In der Pause, während Carlo sich mit der Linken Luft zufächelte, griff ihm Paul schnell in den Schritt. Carlo zuckte zusammen, „Eh was soll das jetzt!“ zischte er, revanchierte sich jedoch umgehend. Paul fand sofort was er suchte und feixte „Ich wusste gar nicht, dass dein Kleiner nicht nur auf mich so reagiert, sondern auch auf Mädchen!“ Carlo schob er Pauls Hand auf den Tisch zurück, „Wenn Du unbedingt was hartes, rundes anfassen musst, nimmt doch die Bierflasche!“ Da er aus den Augenwinkeln sah, das Alies ihre Fummelei neugierig beobachtete, warnte er seinen Freund, „Pass auf, wir sitzen hier auf dem Präsentierteller!“

Gegen Mitternacht waren beide vom vielen Tanzen verschwitzt und saßen erschöpft auf der Bank. Beim Umherschauen, bemerkten sie, dass ein Spieler nach dem anderen seinen Platz am Tisch verließ und in der Dunkelheit vor dem Zelt verschwand. Wie zufällig gab nach dem Spieler immer auch eines der Mädchen seinen Platz am Tisch auf und verschwand. Ein Viertelstunde später tauchten beide wieder auf. Erst der junge Mann mit rotem Kopf und ganz außer Atem, eine Hand in der Hosentasche, setzte er sich von Stolz aufgebläht an den Tisch und stürzte durstig ein Bier hinunter. Gleich darauf tauchte auch das Mädchen auf. Sie versuchte beim Hereinkommen noch schnell die verrutschten Kleider in Ordnung zu bringen und strahlte ihre Freundinnen an. Paul beobachtete die Manöver amüsiert und feixte dann, „Herr Kaplan, Herr Kaplan, da bekommst Du bald bestimmt viel zu tun. Im Herbst gibt’s die Hochzeiten und um Weihnachten musst Du den Nachwuchs taufen!“

Als die beiden zu Gähnen begannen und Anstalten machten nach Hause zu gehen, beugte sich Alies zu ihnen hinüber, „Wollt Ihr nicht auch mal frische Luft schnappen, s‘ s‘Babettle und s'Bärbelle schielen schon die ganze Zeit zu euch!“ dabei zwinkerte er und deutet er auf die beiden Mädchen, die sie zum ersten Tanz aufgefordert hatten, „Die möchten gern auch mal einen Kaplan oder einen Lehrer poussieren, das gehört hier so zum ersten Mai!“ Paul reagierte als erster „Danke Alies, aber der Kaplan muss morgen die erste Messe lesen, da bring ich ihn besser nach hause. Allein verfehlt er sicher den Weg!“

Bei ihrer schnellen Flucht rannten sie fast den Stadtpfarrer fast über den Haufen, der mit den Honoratioren des Dorfs im Zelteingang stand. „Nehmt mich mit,“ stöhnte er, „allein kann ich mich nicht losreißen!“ Der Bürgermeister lachte nur, „Ein Stütze kann der Herr Pharrer beim Heimgehen bestimmt auch gebrauchen!“

Als die drei sich langsam den steilen Weg vom Unterdorf zum Oberdorf hinaufarbeiteten erklärte ihnen der Stadtpfarrer. „Gut gemacht Kinder, so lernt ihr die Vorzüge des Dorflebens kennen und gewinnt die Achtung der Einheimischen. Der Bürgermeister war ganz stolz darauf, dass ihr soviel getanzt habt. Euch scheint das Maifest ja richtig Spaß gemacht zu haben.“

Am nächsten Morgen als Paul neben Carlo aufwachte, war dessen erste Feststellung, „Mein, Kopf, mein Kopf, mein Kopf!“ und die zweite „Das hättest Du nicht tun brauchen! Mich im Schlaf vergewaltigen, jetzt läuft mir die ganze Messe über deine Wixe aus dem Loch!“ dann lachte er laut, „Es ist ja doch nicht nur s‘Babettle, das Dich heiß macht! Richtig?? Aber warte nur, heute Mittag räch ich mich und denk dabei ans s’Bärbelle.“ Dann wurde er ernst, „Wann führst Du mir Deinen Ganymed denn vor? Ich kann's kaum erwarten.“ „Den Magnus, meinen Ganymed? Ich dachte Du bis eifersüchtig und ich bring ihn besser nicht mit, sonst vergiftest Du ihn noch!“ „Was hast Du für eine Vorstellung von mir! Ich lieb Dich, also mag ich auch Ganymed. Ich versprech's Dir, dein Magnus verlässt Burg Hallberg heil,“ dann grinste er unverschämt, „und was mich angeht auf jeden Fall noch als Jungfrau!“

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