In der Hauptstadt erwartete Gwasila der nächste Schock. Die gesamte Stadt war in Aufruhr. Schon am Stadttor hörte der Gouverneur die Nachricht. „Der Imperator liegt im Sterben!", sagte einer. „Der Imperator ist tot!", berichtete ein Anderer. Gwasila versuchte mit seiner kleinen Kavalkade zum Palast vorzudringen. Das war fast unmöglich. Eine so große Menge an Menschen, wie er sie zuvor nie gesehen hatte, drängte zum Palast. Wie Wogen bei Hochwasser drängte der Menschenstrom vorwärts und wenn er an einer Kreuzung zur Ruhe kam, dann lag das nur an den Klageweibern, die dort knieten und mit ihren schrillen Schreien und klagendem Geheul die Tauben von den Dächern scheuchten und die Ratten von den Straßen vertrieben.
Was war geschehen? Der Gouverneur war irritiert! Er fragte den einen und den anderen, jedoch keiner wusste Genaues. Er drängte sein Pferd durch die Menge, er benutzte sogar seine Reitpeitsche, um seinem Pferd einen Weg zu bahnen, kam aber nur im Schneckentempo vorwärts. Endlich, gegen Sonnenuntergang, stand er auf dem Platz vor dem Palast des Imperators. Aber weder er noch ein anderer kam zum Tor vor. Es war unmöglich den dichten Ring der Palastwachen zu durchbrechen, auch wenn er noch so heftig mit seiner goldverzierten Legitimation wedelte, die ihm als Gouverneur besondere Rechte gab.
Am Ende half sie ihm aber doch. Ein herbeigerufener Leutnant beruhigte ihn, „Der Imperator ist nicht tot! Der Imperator, Gott schütze und erhalte ihn, ist bei der Jagd von einem Leoparden angefallen worden. Unser unbesiegbarer Imperator hatte den Leoparden in die Enge getrieben. Gerade als er das riesige Leopardenmännchen unter einem Arganbaum gestellt und mit der Lanze den Gnadenstoß versetzen wollte, sprang dessen Weibchen aus dem Astgewirr und riss unseren hohen Herrn vom Pferd. Er stürzte und noch bevor seine Jagdbegleiter ihn schützen konnten, hatten sich die beiden Tiere in ihn verbissen. Die teuflischen Bestien büßten den Angriff mit dem Tode, aber unser Herr trug auch Wunden davon. Zurück im Palast, entzündeten sich die Wunden jedoch und keiner seiner Heiler konnte ihm helfen." Der Leutnant mahnte Gwasila, bevor er ihm wegschickte, „Betet Gouverneur, betet für den Imperator! Betet, dass unser lieber, gnädiger Herr wieder gesund wird."
Zwei Tage später hatte das Fieber den Imperator dahingerafft. Was sollte Gouverneur Gwasila nun machen? Er konnte dem Imperator nun nicht mehr seine Version der Ereignisse in der Kristallmine darlegen und alle Schuld dem Kommandanten zuschreiben. Er musste jetzt handeln. Er musste das Problem, nein beide Probleme, die Befreiung der Strafgefangenen der Kristallmine und den Raub der kostbaren Kristalle, in Eigeninitiative lösen und zwar auf eine Weise, die dem neuen Imperator seine Fähigkeit und seine Unersetzbarkeit bewiesen.
Bedrückt floh er vom Hof, aber schon auf dem Heimritt entwickelte er einen Plan, wie er den neuen Imperator von seinen Fähigkeiten und seinem Mut überzeugen konnte. Er musste die geraubten Kristalle wiederbeschaffen, koste es was es wolle! Er musste schnell handeln. Er musste schneller sein als die Soldaten vom Hof des Imperators, er musste mit einem Heer ins Territorium der Imuhagh vorrücken und die Schuldigen bestrafen. Ja, vielleicht gelänge es ihm sogar, das Imperium bis ins Feindesland auszudehnen und gleichzeitig das Unland dem Imperium anzugliedern. Und die Gefangenen, die würde er auch bald wieder eingefangen haben.
Gouverneur Gwasila war sich bewusst, dass ein Feldzug gegen die Wüstensöhne einen erfahrenen Feldherren brauchte. Einen erfahrenen Feldherren, der auch einen Feldzug durch die Wüste führen könnte! Er selbst traute sich natürlich die Führungsrolle zu! Aber musste er wirklich die Unbequemlichkeiten und vor allem die Gefahren eines Feldzugs auf sich nehmen? Und wenn der Feldzug schiefging, die Blamage? Nein er musste einen erfahrenen Feldherren finden. Da fiel ihm der alte Feldhauptmann Areksim ein.
Feldhauptmann Areksim, der alte Luchs, war ihm noch etwas schuldig, nicht nur einen kleinen Gefallen, nein! Schließlich hatte er dem Feldhauptmann den Kopf gerettet, nicht nur einmal. Areksim war ein Raufbold, ein Mörder, ein Weiberschänder. Die Feldzüge hatten ihn verroht. Zu Hause duckte er sich unter den Pantoffel seine Frau Tudatt, aber wenn er ins Bordell ging, und das tat er jede Woche mindestens zweimal, wurde er zum Tiger und wehe ein Mädchen unterwarf sich nicht seinen Wünschen. Er hatte schon zwei Hurenweibern den Bauch aufgeschlitzt und einer die Brüste abgeschnitten! Keine von ihnen hatte überlebt und er, der Gouverneur, musste die Morde vertuschen, um den Freund zu schützen. Der alte Luchs Areksim war der Richtige. Er sollte das Expeditionskorps in die Wüste führen.
Aber welches? Die Soldaten des Imperators konnte er nicht ohne dessen Einwilligung in den Kampf schicken, außerdem waren nur wenige Soldaten in Tinghir stationiert. Blieb nur noch eine Privatarmee, eine Armee von Söldnern. Wer konnte ihm da helfen? Wer konnte für den Feldzug Geld zur Verfügung stellen? Er brauchte nicht lange nachdenken. Natürlich seine drei dicksten Freunde, die beiden Dicken, der Bordellbetreiber und der Getreidehändler und der Dürre, der bartlose Kaufmann, der Schmuggelkönig. Der war für das Vorhaben besonders wichtig, denn er, d.h. seine Späher, kannte alle Wege durch die Wüste, auch den zur Kasbah des Amenokal. Die Drei mussten das Geld für den Feldzug vorstrecken, die Söldner würden seine Geheimpolizisten schon rekrutieren.
Der Gouverneur hatte Glück. Areksim war glücklich seiner Frau einige Wochen entrinnen zu können und als er die drei Kaufleute zu einer Besprechung einlud, konnten die nicht umhin, seinen Vorschlag anzunehmen, Geld gegen die Gelegenheit die Klans der Wüstensöhne auszurauben? Natürlich ließen sich die Drei nicht freiwillig auf den Handel ein, aber als Gwasila mit dem Zeigefinger auf die Kladden vor sich auf seinem Tisch zeigte, willigten sie ein. Kladden, in denen die Sünden der Vergangenheit aufgezeichnet sind, haben etwas Zwingendes. Wer weiß schon genau welche Geheimnisse dort aufgeschrieben sind? Außerdem winkten dem Zuhälter der Zugriff auf die jungfräulichen Töchter der Wüstensöhne, dem bärtige Kaufmann das Monopol über den Getreidehandel bis tief in den Süden und dem hagere Schmuggelkönig die Zollhoheit über alle Wüstenrouten.
Das Glück blieb dem Gouverneur weiter treu. Als er den Erfolg der Gespräche, besser Erpressungen, am Abend mit Feldhauptmann Areksim und den drei Kaufleuten im Bordell feierten, trafen sie auf einen Bekannten, einen ihnen wohlbekannten Bekannten, sie trafen auf Udad, den Herrscher der Kapo.
Endlich wieder frei! Udad und seine Helfer feierten schon seit Tagen ihre geschenkte Freiheit im Bordell. „Endlich richtige Weiber und keine engen Jungenärsche!", rief Udad dem Gouverneur übermütig zu, wohl wissend, dass auch der Gouverneur erpressbar war. Der hatte jedoch die richtige Antwort bereit, „Du und deine Freunde schulden dem Imperator mindestens noch 100 Jahre. Ich streiche dir und ihnen die Schuld, aber dafür hast du und deine Kapo das Privileg Unterführer in Areksim's Expeditionskorps gegen die Wüstensöhne zu werden."
Nach kurzem Überlegen, schlug Udad ein und in den nächsten zwei Wochen rekrutierten er und Helfer des Gouverneurs die erforderlichen Teilnehmer am Feldzug. Zugegeben, die zusammengewürfelte Truppe bestand nicht nur aus erfahrenen ehemaligen Soldaten, sondern auch aus entkommenen Sträflingen, einfältigen Bauernburschen und anderen jungen Männern, die sich vom Feldzug Abenteuer und Reichtum versprachen. Für die militärische Ausbildung der Söldnertruppe wurde nur eine Woche angesetzt, mit Drill am Tage und Bordellbesuch am Abend. Diese Art von Ausbildung war ganz nach dem Geschmack der Angeheuerten.