KeYNamM ~ König ohne Namen ~ German

Prolog

Der Feldhauptmann des Imperators starrte den Mann an, den zwei Feldjäger in das Zelt geschleift und vor ihm aufgestellt hatten. Sein Gesicht war eingefallen und die Haare klebten ihm blutverkrustet am Kopf. Sein Körper war ausgemergelt und sein weites Hemd so zerfetzt, dass es ihm von den Schultern zu rutschen drohte. Er hatte die Hände auf dem Rücken zusammengebunden und an den blutverkrusteten Füßen trug er Fesseln. Er sah aus wie ein Toter, den man vergessen hatte zu beerdigen. Aber seine blaugrauen Augen straften diesen ersten Eindruck Lügen. Sie funkelten den Feldhauptmann einen Moment an und durchforschten dann das Zelt auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit.

Der Feldhauptmann schüttelte verwundert den Kopf. Scharf fragte er "Du bist also der, den alle hier König vom Unland nennen? Du bist also der, den alle hier den Beschützer der Menschen im Wadi Draa nennen? Du bist also der Amestan der Menschen und Tiere des Flusses, des Flusses, der im kalten Gebirge des Nordens tosend seinem Quelltopf entspringt, im großen Bogen in die Wüsteneien im Süden fließt, dort im Sand versickert, danach aus dem Wüstensand wieder hervorquillt um Leben zu spenden, wieder versickert und nochmals hervorquillt, unendliche Male versickert und auftaucht, um endlich endgültig im Untergrund zu verschwinden?"

Aber der Mann antwortete nicht. Seine graublauen Augen starrten über den Kopf des Hauptmanns hinweg in die Ferne. "Sag, Mann, bist du der König des Draa? Sag, wie heißt du wirklich? Sag, wer bist du? Der Gouverneur sagt, du bist ein Aufrührer, ein Feind des Imperiums, einer der dem Imperator das Recht auf Tribut verweigert!"

Der Feldhauptmann hielt einen Augenblick inne und erhob sich dann. Er überragte den Gefangenen nahezu um einen Kopf und hatte die Muskeln eines Preisringers. Sein Gesicht jedoch, vor allem aber seine Augen, verrieten Klugheit. Er schaute dem Gefangenen in die Augen. "Du legst Wert auf Tradition, wurde mir gesagt. Warum verweigerst du dann dem Imperator die Tributzahlungen, die ihm auf Grund des Vertrags mit deinen Vorvätern zustehen?"

Als der Mann nicht antwortete, sondern nur zurück starrte: "Sag mir deinen Namen. Sag wenigstens deinen Namen." Aber der Mann schwieg. Der Feldhauptmann des Imperators wendete sich zu seinem Schreiber: "Schreib, Protokollant, schreib dort wo der Vorname vermerkt wird KEIN! Schreib in die Zeile, in der Vatername vermerkt wird, NAME!" Der Feldhauptmann überlegte einen Moment, "Lass den Vornamen weg und schreib einfach KeYNamM! So nennen dich doch deine Anhänger, oder?"

Als der Schreiber irritiert aufblickte, diktierte der Feldhauptmann: "Schreib großes K, kleines e, großes Y, großes N, kleines a, kleines m, großes M!" Dann richtete er seinen rechten Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Mann, "Ab jetzt bist du nur KeYNamM, der Mann ohne Namen, der Mann ohne Vater und Mutter, der König des Nichts!"

Dann erhob sich der Feldhauptmann, beugte sein Haupt in Richtung der Hauptstadt des Imperiums und fällte das Urteil. "Im Namen des Imperators und auf Anweisung des Gouverneurs verurteile ich den Unruhestifter und Aufrührer, den Mann mit dem Namen KeYNamM, zu Haft im Straflager des Imperators, im Straflager bei der Kristallmine." Der Hauptmann wartete auf eine Antwort des Mannes. Als sie nicht kam, fuhr er fort: "Du bleibst dort, bis dich die Wächter mit den Füßen voraus aus dem Lager tragen und den Hunden zum Fraß vorwerfen!" Nach einer Pause fügte er hinzu: "Das ist das Urteil! Gegen dieses Urteil ist kein Einspruch möglich."

So begann der neue Abschnitt im Leben des Königs vom Unland, der schließlich zur Befreiung des Unlands und seiner Bewohner von der Tributpflicht an das Imperium führte. Da niemand den Namen kannte, mit dem ihn seine Mutter zu rufen pflegte, wird er in diesem Bericht den Namen "KeYNamM" tragen. Aber wenn er einen echten Freund findet, wird er ihm den Namen nennen.

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